In haltloser Wut schlägt die Mutter das Kind ins Gesicht. Immer wieder. Wie überlebt man das und wie lebt man dann?
Rezension
Wenn das ein Bekenntnis ist, dann ist es sehr groß, denn es geht unter die Haut, bewegt, erschüttert, rührt zu Tränen und macht sprachlos. Ein starkes Buch. Der Junge, der von seiner wütenden Mutter, die über ihr Leben verzweifelt und von fehlenden Erinnerungen gepeinigt ist, ins Gesicht geschlagen wird. Über Jahre. Bis knapp vorm Tod. Nie weiter. Es ist Millimeterarbeit. Die Wut springt über, wird zum Erbe, zur Angst, zu Ticks, zu Gesten, die den Geschlagenen verraten. Es ist eine Geschichte, die nicht beschönigt und keine Lösung kennt, nur Kraftverschiebung durch Lebenszeit, Abstandgewinn durch Erfolg, Humor durch Verzweiflung. Alle sind Clowns. Manchmal flammen Witze auf, die die überraschte Leserin zum lauten Lachen bringen. Das Personal des Romans gleicht einem Kuriositätenkabinett. Die Typen sind filmreif. Es liegt ein schonungslos klares Licht über allem. Auch über dem Guten. Denn Güte gibt es auch. Gar nicht so selten. Aber immer nur flüchtig. Wie das Leben selbst. Ist das wahr?
Für Literaturkreise, Lesungsabende zur Auseinandersetzung.Rezensent: Christiane Thiel
Personen: Martenstein, Harald
Martenstein, Harald:
Wut : Roman / Harald Martenstein. - Berlin : Ullstein, 2021. - 268 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-550-20120-2
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher