Fast wie in Bullerbü. (ab 4) "Pelle hatte ein Lamm, für das er selber sorgte und das ihm ganz allein gehörte." Als dieses Bilderbuch 1912 erstmals erschien, war den Kindern wohl gleich klar, dass damit Pelles Grundversorgung gesichert ist: Er hat Wolle und Milch, also Nahrung und Kleidung. Er übernimmt Verantwortung und die beiden verbindet Freundschaft und das gemeinsame Aufwachsen: "Die Wolle des Lammes wurde lang und länger - Pelles Jacke jedoch immer kürzer." Dieses schöne Bild verdeutlicht die Einheit von Mensch und Natur, die wir gern belächeln und die uns doch so sehr fehlt. Es ist diese agrarische Gesellschaft, diese heile Welt der schwedischen Vergangenheit, in der auch Astrid Lindgrens Geschichten von Bullerbü und Lönneberga spielen. Lindgrens Landsfrau Elsa Beskow ist 1873 geboren und selbst so aufgewachsen. Heutige Kinder erfahren im Verlauf des Buches, welche Schritte nötig sind und wie viel Arbeit dahinter steckt, wenn aus Schafwolle neue Kleider entstehen. Pelle kann das nicht allein, nein, er schert nur sein Schaf und später färbt er das Garn. Die anderen Arbeiten - kämmen, spinnen, weben und schneidern - erledigen andere für ihn, darauf ist Verlass in der familiären bzw. dörflichen Gesellschaft. Aber eine Hand wäscht die andere und umsonst gibt es nichts: Pelle muss gehörige Gegenleistungen erbringen. Für das Kämmen verlangt die Großmutter, dass er ihre Beete jätet, die andere Großmutter für das Spinnen, dass er Kühe hütet. Während die Mutter den Stoff webt, passt er auf seine kleine Schwester auf, und der Schneider näht die Kleider, während Pelle Schweine füttert, Heu recht und Holz in die Stube trägt. Am Sonntag ist alles geschafft, und Pelle kann vor aller Augen seine neuen Kleider tragen. Und er vergisst auch nicht, zu seinem Schaf zu gehen: "Dankeschön für die Kleider!" Mit der so demütigen wie fröhlichen Grundhaltung, der schlichten Sprache und Gestaltung, den blassfarbigen, klaren Bildern ist das Buch ein kleines Gesamtkunstwerk, dem in der heutigen Wegwerfgesellschaft ein zentraler Platz gebührt. Absolut ohne pädagogischen Zeigefinger weist es das Füreinander als funktionierendes Gesellschaftsmodell aus. Dabei geht es gar nicht ohne Reibung. In der Mitte des Buches gibt es ein kleines Intermezzo: Pelle wird vom Malermeister ausgelacht, weil er nicht weiß, dass Malerfarbe nicht zum Färben von Garn geeignet ist. Aber auch er meint es gut mit dem Jungen, lässt ihn für sich Terpentin beim Krämer einkaufen gehen, und für das Wechselgeld bekommt Pelle die gewünschte blaue Farbe. So wie er ausgelacht wird, wird er aber auch bewundert für seine kühne Selbstständigkeit: Die Kinder des Malers und später die Kinder des Schneiders begleiten Pelles Tätigkeiten mit großem Staunen. Elsa Beskow, die an der Kunstakademie in Stockholm studiert und ihre rund 50 Bilderbücher selbst illustriert hat, ist hierzulande vor allem mit "Hänschen im Blaubeerwald" und "Die Wichtelkinder" bekannt geworden. Die Neuausgabe von "Pelles neue Kleider" erscheint als erstes einer Reihe von mindestens fünf weiteren Bilderbüchern. Im Herbst folgt "Olles Reise zu König Winter". Aus diesen märchenhaften Titeln ragt aber Pelle, der mit beiden Beinen auf dem Boden der Wirklichkeit steht, heraus und kann sich hoffentlich neben oder vor anderen Klassikern etablieren.
Personen: Beskow, Elsa Plattner, Diethild
Standort: Elsbethen
Beskow, Elsa:
Pelles neue Kleider / Elsa Beskow. [Aus dem Schwed. von Diethild Plattner]. - Stuttgart : Urachhaus, 2004. - [32] S. : Ill. Pelles nya kläder
ISBN 978-3-8251-7466-8 fest geb. : € 16,50
Kinderverse, Bilderbücher - Signatur: JD BESK - Buch: KuJ-Belletrist