Bestechend scharfsinnige, zugleich ironisch karikierende Analyse der Gesellschaft der ausgehenden Weimarer Republik.
Der Titelheld Käsebier, ein Mann aus dem Volk, feiert 1929/30 in Berlin überraschende Erfolge mit seinen volkstümlichen Liedern. Protegiert von einflussreichen Kritikern, umjubelt von der Presse, hofiert von der Berliner Schickeria und geblendet vom momentanen Erfolg gerät er in den Strudel einer geradezu modern anmutenden Unterhaltungsindustrie. Er lässt sich überreden, im Rahmen eines großen Bauprojekts ein eigenes Varietétheater am Kurfürstendamm errichten zu lassen. Schon im folgenden Jahr verblasst sein Ruhm. Und als kurze Zeit später die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise immer offener zu Tage treten, ist auch Käsebier am Ende. - Es geht der 1894 geborenen Autorin, einer bekannten jüdischen Journalistin, in dem 1931 erschienenen Roman allerdings nicht in erster Linie um die Darstellung dieses betrüblichen Einzelschicksals. Im Kern handelt es sich um einen Berlin-Roman und um einen Roman über modernen Journalismus. Vor allem aber wird dem Leser in diesem bisher (zu Unrecht) wenig bekannten Roman der "Neuen Sachlichkeit" eine bestechend scharfsinnige, zugleich ironisch karikierende Analyse der Gesellschaft der ausgehenden Weimarer Republik geboten. Erzählt wird in diesem Dialogroman, der teilweise an Döblins Berlin Alexanderplatz erinnert, selten. Stattdessen lauscht man als Leser den vielfältigen Stimmen in unterschiedlichsten Ausprägungen, Dialekten und Soziolekten. Historisch und literarisch interessante Lektüre, aufregend auch, weil sich mühelos Parallelen zu unserer Zeit finden lassen.
Personen: Tergit, Gabriele
Tergit, Gabriele:
Käsebier erobert den Kurfürstendamm : Roman / Gabriele Tergit. - Frankfurt/M. : Schöffling & Co., 2017. - 399 S.
ISBN 978-3-89561-484-2 Festeinband : EUR 24,95
Schöne Literatur - Signatur: Tergi - Buch