Es war einmal Zeit. Es waren einmal tickende Wanduhren. Da bewegten sich zwei Ärmchen gemächlich über eine weiße Scheibe mit zwölf Zahlen hin. Die Scheibe befand sich in einem Schränkchen, in dessen unterem Drittel eine weitere Scheibe hin und herschwang. Der Mensch war Herr dieser Zeit. Nur wenn er mit seinem Schlüssel das Räderwerk aufzog, schritt sie voran. Wir sehen: Familienzeit, Hauszeit, vom Morgenkaffe bis zum erleuchtenden Schlafzimmerfenster in der Nacht. Das ist die Großvaterzeit. Davon erzählt Samuel Castano Mesa. Zart erzählt er, fast verblasst sind seine Farben, vorsichtig wird gestrichelt. Vergilbt sind die Ausschnitte aus Zeitungen und Büchern, die er collagenartig einfügt. Diese Zeit endet plötzlich, als der Großvater stirbt. Über zwei Seiten liegt sein Körper im feinen Anzug hingestreckt. Rote Socken, weißer Bart – ein großer Tod. Alle Rhythmen, alle Ordnungen geraten durcheinander. In transluzenten Pastellfarben schweben die Dinge des Alltags nun im Raum, die Katze schläft, das Baby mag nicht auf die Welt kommen. Bis der junge Erzähler eines Tages den Schlüssel zur Zeit wiederfindet. (Wir hatten ihn schon längst tief eingeprägt auf der Rückseite des lichten Bilderbuches erfühlt.) Es schließt mit einer Geburt und mit einer sehr authentischen Kinderzeichnung. Das Leben geht weiter. Dies letzte schöne Bild findet Castaño für den immerwährenden Neuanfang. Wirklich belebend ist die unverkrampfte Zweisprachigkeit des kleinen Büchleins. Die gewissenhafte Übersetzung jeden Satzes ins Spanische verleiht der „alten Zeit“ – in Kolumbien oder nicht – Gegenwärtigkeit und lässt den Betrachter in Gedanken reisen. Auch wenn uns heute tatsächlich fast nur noch rote, schwarze oder grüne Zahlen von Displays anstarren – was ist nur aus der Zeit geworden?

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Personen: Weber, Jochen Castaño Mesa, Samuel

Schlagwörter: KULTUR SPRACHE DEUTSCH Mehrsprachigkeit Spanisch