Aufarbeitung der schwierigen Kindheit der Autorin im jungen Staat Israel. (DR) Auf dem Begräbnis einer kinderlosen Tante trifft die Ich-Erzählerin ihre Jugendfreundin Dorit. Die beiden sehen sich jährlich bei den diversen Trauertagen, aber diesmal beginnt Schritt für Schritt eine Rückbesinnung auf die gemeinsam verbrachte Kindheit. Damals lebte die Ich-Erzählerin allein mit ihrer Mutter und war getrieben von der Suche nach ihrem abwesenden Vater. Sie wusste gar nichts von ihm und die Mutter schwieg beharrlich. Auch die Nachbarinnen und deren Kinder erzählten nichts, dabei wäre dem Mädchen ein Hinweis auf den Vater unendlich wichtig gewesen. Erst jetzt, lange nach dem Tod der Mutter und kurz vor dem Tod aller verbliebenen Zeitzeugen, kommt sie dem Geheimnis auf die Spur: Der an Tuberkulose erkrankte Vater war von seiner Tochter ferngehalten worden, um sie nicht anzustecken. In israelischer Diktion bedeutete das: Er wurde genauso selektiert wie die Juden von den Deutschen. Deutsch-österreichische Nachkriegsliteratur deckt viele Verbrechen, Unwahrheiten, Leiden und schreckliche Erlebnisse auf; bei der israelischen Nachkriegsliteratur kommen andere Details hinzu: Verlust von Familie und einer persönlichen Geschichte, Scham der Überlebenden und eine zerstörte Wahrnehmung der Welt. Die heutige Generation 50 plus litt unter dem kollektiven Schweigen über die Vergangenheit und diente gleichzeitig als Garant für die Zukunft ihrer Eltern. Das Buch, hervorragend übersetzt von Mirjam Pressler (die auch die jiddischen Einsprengsel belassen, aber doch übertragen hat), macht deutlich, inwiefern sich die Sicht der israelischen Nachkriegsgeneration auf die Welt von unserer unterscheidet, und ist gleichzeitig ein berührendes persönliches Zeugnis von der Suche nach der Wahrheit, die zwar immer da, aber nie greifbar war. Empfehlenswert! *bn* Doris Göldner
Personen: Doron, Lizzie
Leseror. Aufstellung: Belletristik
Dor
Doron, Lizzie:
¬Das¬ Schweigen meiner Mutter : Roman / Lizzie Doron. Aus dem Hebr. von Mirjam Pressler. - Dt. Erstausg. - München : Dt. Taschenbuch-Verl., 2011. - 212 S. : Ill.
ISBN 978-3-423-24895-2 kart. : ca. Eur 15,40
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