„Sternenbote“ nennt die Oma den namenlosen Ich-Erzähler, bei seinem Vater heißt er „Astro-Genie“, bei der Schwester „Mondgucker“. Nur die Mutter macht bei diesem Spiel nicht mit. Ein Spiel, das die Leidenschaft des Jungen für Astronomie aufgreift und das sich gemeinsam mit dem warmen Schwarz der Buchseiten wie ein Firmament über die Geschichte spannt, sie umschließt. Die Sterne, so scheint es, halten alles zusammen. Auf sie ist Verlass, weiß der Junge: Sie sind immer pünktlich, nie verändert sich die Zeit, die das Licht der Sonne zur Erde braucht (so lange wie er morgens zum Bus), oder in der sich der Jupiter einmal um die Sonne dreht (so lange wie seine Schwester auf der Welt ist). Im Weltall wird nicht gewartet („Warten ist eine Erfindung der Menschen“). Über die Beschäftigung mit den Sternen bringt der Junge Ordnung in sein Universum, in das Leben seiner Familie und in die lange Warte-Zeit vor Weihnachten. Denn auch darum geht es in diesem von Linda Wolfsgruber herausragend in der für sie typischen Mischtechnik illustrierten und von Nele Steinborn wunderbar gelayouteten schmalen Buch – um die Weihnachtsgeschichte, die Geburt Jesu, die Heiligen Drei Könige, den Glauben. Und um das Nebeneinander unterschiedlicher Meinungen und Ansichten, die in der Familie ganz selbstverständlich miteinander in Einklang gebracht werden: „Am Anfang war der Urknall, sagt Papa. Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde, liest Oma. Am Anfang war die Sehnsucht, meint Mama.“ Reinhard Ehgartner erzählt in freien Versen, in knappen, poetischen Sätzen und vielsagenden Leerstellen. Es geht ihm dabei gerade nicht um eine weitere, modernisierende Nach- oder Neuerzählung der Weihnachtsgeschichte, sondern darum, zu zeigen, welchen Platz sie in unserer modernen Gesellschaft einnimmt – oder einnehmen kann. Naturwissenschaft, Religion, Philosophie und Alltag fügen sich bei ihm zu einem harmonischen Ganzen, zu einem unvoreingenommenen, offenen Weltbild, das getragen wird von Zuneigung und geprägt ist von Neugier. Alles hat seinen Platz und seine Zeit, das Keksebacken, das Baumschmücken, die Geschenke, die Mitternachtsmette und die Sternsinger. Alles fühlt sich genau richtig an, so wie es ist. Der Klang der Wörter, die weiße Schrift auf schwarzem Grund, der freie Raum zwischen den Zeilen, die filigranen Linien der Vignetten, die Drucke und Collagen, die jeweils auf der rechten Buchseite in einem kreisrunden Bildausschnitt – ganz so, als würde man durch ein Teleskop in den Himmel blicken – zu sehen sind. Diese Weihnachtsgeschichte kommt ohne kommerziellen Kitsch und abgedroschene Phrasen aus und glänzt stattdessen sternenklar mit wegweisender Offenheit. ÖKJB-Preis: Astronomiebuch oder Weihnachtsgeschichte? Bilderbuch oder Sachbuch? Die vielfältig illustrierte Erzählung auf tiefschwarzem Papier über die Faszination für die Sterne und die Geschichte von Sterndeutern aus dem Orient ist alles zusammen – und darüber hinaus auch noch ein Buch für Familien, die gerne Kekse backen und sich darüber freuen, dass es 70 Milliarden Sterne im Universum gibt.
Personen: Ehgartner, Reinhard Wolfsgruber, Linda
Ehgartner, Reinhard:
Sternenbote : eine Weihnachtsgeschichte / Reinhard Ehgartner ; Linda Wolfsgruber. - Innsbruck : Tyrolia, 2019. - [36] S. : durchg. farb. Ill.
ISBN 978-3-7022-3798-1 fest geb. : ca. € 16,95
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