Wenn es in der Gesellschaft wirklich verbrecherisch rund geht, gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Engeln und Dämonen, weil die Ermittler zu Tätern werden und die Täter ermitteln. Die Guten und die Bösen haben sich im großen Verbrechen gegenseitig Schachmatt gestellt. Georg Haderer lässt in seinem quer über die Alpen verschütteten Kriminalfall den Chefermittler Major Schäfer im eigenen Delirium verschwinden. Von der ersten Seite an geistert er durch unbekannte Wälder Richtung Schweiz, er weiß selbst, dass er das Gedächtnis verloren hat, und klammert sich an die Hoffnung, dass man ihn findet, aber ihn dann nicht seines Dämons beraubt. Schäfer ist restlos überfordert, neben einer therapeutischen Grund-Behandlung haben es ihm vor allem esoterische Seminare angetan. Held dieses Falles um den abgetauchten Major wird logischerweise Bergmann, der nach knapp drei Wochen zum Gruppenleiter ausgerufen wird. "Wie war dein erster Tag als Gruppenleiter?" fragt er sich selber, als er müde nach dem ersten Tag heimkommt. Während er in den Ermittlungspausen das Verschwinden seines Vorgängers aufklären soll, geht es quasi zwischen Tür und Angel rund. Verkehrsunfälle mit mörderischem Hintergrund, Suizide mit Fremdeinwirkung, Kleinkriminalität mit offensichtlich parteipolitischem Hintergrund: alles in Österreich geht an manchen Tagen aus den Fugen und die Fälle kugeln nur so in der Gegend herum. "Wer hat angerufen? - Ein Schüler der kokst. - Was hat er gesehen? - Dass jemand aus dem Fenster gefallen ist." Unordnung pur übersät nicht nur den Schreibtisch sondern zieht sich durch alle Fälle. Im Waldviertel werden Heiler politisch aktiv, im Untergrund taucht eine Gruppe BOG auf, Bündnis zur Optimierung gesellschaftlicher Strukturen, dann wieder gibt es ein Tankstellenvideo vom verschollenen Schäfer, in dessen Wohnung man kaum vernünftige Spuren findet, weil alles in seinem Umfeld irreal ist. In regelmäßigen Gegenschnitten kommen wir Leser immer wieder auf den verlorenen Schäfer, der letztlich am Bahnhof in Zürich von einem Vater erkannt wird, dem er einst einmal das drogensüchtige Kind zurückgegeben hat. "Ich habe mein Gedächtnis verloren, kein Scherz." (208) Da tut sich der Verdacht auf, dass er vielleicht gar einen Schweizer Galeristen erschossen hat. Der Fall wird nicht durch ein Showdown oder Aufklärung gelöst sondern durch Erschöpfung. Als Bergmann völlig am Ende ist und Schäfer alle Viere von sich streckt, kommt es in St. Pölten bei einem Therapeuten zu so etwas wie einem Einfrieren des Status quo. Denn ein Georg-Haderer-Krimi bringt kein Ende, sondern die Figuren werden höchstens für den nächsten Fall sediert. - Ein österreichischer Urknall-Krimi. Helmuth Schönauer
Personen: Haderer, Georg
Haderer, Georg:
Engel und Dämonen : Kriminalroman / Georg Haderer. - Ungekürzte Taschenbuchausg. - Innsbruck : Haymon, 2014. - 444 S.
ISBN 978-3-85218-970-3 kart. : ca. Eur 12,95
Schöne Literatur - Signatur: SL Hader - Buch