Ness, Patrick
Mehr als das [Roman]
Kinderbücher

Annotation: Packender Jugendroman mit Parallelwelt Rezension: Der sechzehnjährige Seth stirbt: Drastisch werden seine letzten Momente geschildert, bevor ihn das Meer Kopf voran gegen einen Felsen schleudert. Nach seinem Tod erwacht Seth. Und findet sich in jener Nachbarschaft in England wieder, in der er mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder gelebt hatte, bevor ein schreckliches Ereignis das Leben der Familie für immer veränderte und ihren Umzug nach Amerika auslöste. Doch nicht nur, dass Seth tot ist, die Welt, in der er sich wiederfindet, scheint völlig menschenleer - nach und nach zeigen sich Zerstörungen von fast apokalyptischem Ausmaß. Ist das die Hölle? Was hat es mit den Bandagen auf sich, in die er im Moment seines Erwachens notdürftig gewickelt war? Warum steht in seinem alten Kinderzimmer ein Sarg? Während Seth mit immer neuen Rätseln (und praktischen Herausforderungen des Überlebens nach dem Tod à) konfrontiert ist, wird parallel dazu in Rückblenden nach und nach erzählt, was vor seinem Tod passiert ist. Als wäre das nicht alles schon spannend und kryptisch genug, stellt sich nach rund 200 Seiten plötzlich heraus, dass Seth doch nicht ganz allein ist: Auch das schwarze Mädchen Regine und der kleine Pole Tomasz haben ihren eigenen Tod hinter sich und fragen sich, wie und warum sie hier gelandet sind [à ] Patrick NessÆ packender Jugendroman sprengt mühelos alle eindeutigen-Genrezuordnungen: Er ist gleichzeitig Thriller, Dystopie, Coming of Age Roman, aber auch die berührende Freundschaftsgeschichte eines Trios, das in seiner skurrilen Unterschiedlichkeit und einander ergänzenden Genialität Harry, Hermine und Ron alle Ehre macht. Bei aller Oberflächenspannung, die über das ganze dicke Buch hinweg gehalten wird, werden (durchaus mit Pathos) verschiedenste ethische und philosophische Fragen verhandelt, die sich einem Jugendlichen stellen, der in seinem Leben immer wieder erkennen musste, dass man auch sterben kann, bevor man tot ist. Und der erst im Leben nach dem Tod erkennt, dass auch sein Leben ämehr als dasô, was er wahrzunehmen vermeinte, à zu bieten hat. Mehr kann aus Gründen der höchsten Spoiler-Gefahr nicht verraten werden. - Lesevergnügen ist, auch für LeserInnen, die manchen der angedeuteten Genres nicht unbedingt zugeneigt sind, sicher!
1000 und 1 Buch / Kathrin Wexberg

Ist Seth am Ort seiner größten Schuld gefangen, in einem Traum, in dem seine schlimmste Erinnerung für immer eingefroren ist? Ein tiefgründiger Roman über Schuld und Schmerz und ein beeindruckendes Spiel mit der Wirklichkeit. (ab 14) (JE) Ein Junge kämpft im Meer gegen das Ertrinken. Erschöpft erwacht er in einer dystopisch wirkenden Welt. Ist er gestorben? Warum ist er so geschwächt? Seth beginnt, die staubige Umgebung zu erkunden. Mit dem langsamen Erkennen vertrauter Gegenstände kommt das tiefe Entsetzen: Dieser verlassene Ort ist seine ganz persönliche Hölle. In diesem Haus, in dem er einst mit seiner Familie lebte, ist das Allerschlimmste passiert. Seth spürt, dass ihn das Erinnern gefährlich nah an einen Abgrund aus Verwirrung und Verzweiflung treibt. Ist da noch mehr, an das er sich nicht zu erinnern wagt? Was ist mit all den Dingen, die nach und nach in seinen Träumen an die Oberfläche gelangen, Sachen, "die auf ihre jeweilige Art am meisten wehtun - weil sie entweder zu schlimm oder zu schön sind?" (S. 93) Wie Seth versuchen die LeserInnen, diesen eigentümlichen, geheimnisvollen Ort, über dem eine unheimliche Stille liegt und der in seiner Absurdität wie eine bedrohliche Traumwelt erscheint, zu dechiffrieren. In kursiver Schrift wird ein zweiter Handlungsstrang eingeflochten und mit ihm drängt sich die zwingende Frage auf, was in diesem vielschichtigen Spiel mit den Wirklichkeiten nun real ist. Übrigens ein triftiger Grund in dieser Rezension auf keinen Fall zu viel über den unvorhersehbaren Plot zu verratenà Nur so viel: Der fesselnde Roman beginnt wie ein Science-Fiction-Thriller voller Suspense und wandelt sich dann zu einem psychologisch feinsinnigen Entwicklungsroman voller Tiefe und Poesie. Patrick Ness, bekannt durch "Sieben Minuten nach Mitternacht", lotet den Seelenzustand seiner Figur präzise aus. "Mehr als das" ist ein stilles, langsam erzähltes Buch mit umso größerer Wirkmacht, beklemmend in all dem Schmerz und der Traurigkeit, die Patrick Ness in wunderschöner, berührender Prosa schildert. Man möchte die verletzte Seele dieses verschlossenen Jungen ergründen, dem eine Schwere auf der Brust lastet und die bittere Sehnsucht nach "more than this" (Originaltitel). Man möchte verstehen, was ihn in die kalte Umarmung des winterlichen Ozeans getrieben hat. Ein Buch, das einem nahegeht, einen erstaunt und überrascht, das Lebensphilosophisches anrührt und einen mit zutiefst existentiellen Fragen zurücklasst. Aber letztlich auch mit dem Vertrauen und dem Glauben daran, dass da immer noch mehr ist. Außergewöhnlich und besonders - zu Recht auf der Empfehlungsliste des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises 2015. Für alle Büchereien!
bn.bibliotheksnachrichten / Cornelia Gstöttinger

Der sechzehnjährige Seth treibt im eisigen Meerwasser, er versucht zu schreien, doch seine Lungen füllen sich mit Wasser, dann schwemmt eine gigantische Welle seinen Körper an die Klippen und sein Körper zerschellt. Er hört sein Genick brechen. Einige Sekunden nach seinem Tod wacht der Jugendliche vor dem Haus in England auf, in dem er seine Kindheit verbracht hat. Sein Körper ist mit seltsamen Bandagen umwickelt, die nur seine Geschlechtsteile, sein Gesäß und seinen Kopf freilassen. Die Landschaft scheint ausgestorben, alles ist mit einem seltsamen Schlamm bedeckt und das Wetter wechselt im Stundenrhythmus. Er ist äußerst schwach und fällt immer wieder in tiefen Schlaf, in dem er vom Leben vor seinem Tod träumt. Er erinnert sich daran, dass sein kleiner Bruder als Kleinkind von einem entflohenen Sträfling entführt wurde, und Seth selbst daran Schuld war, weil er dem Mann die Tür öffnete. In dieser seltsamen ausgestorbenen Welt findet Seth doch noch zwei menschliche Wesen, nämlich den zwölfjährigen Tomasz aus Polen und die sechzehnjährige Regine. Die drei entdecken eine gigantische Lagerhalle voller futuristischer Särge. Darin liegen bandagierte Menschen in einer Art Koma. Diese Menschen leben in einer virtuellen Parallelwelt. Bewacht und gewartet wird der Komplex vom "Unding", das die drei nun verfolgt, um sie wieder zurück in die virtuelle Welt zu bringen. Patrick Ness schildert in einer sehr bildhaften, wortgewaltigen Sprache das Szenario einer zerstörten Erde und die Orientierungslosigkeit des Protagonisten. Die Geschichte wird immer wieder unterbrochen von den Traumszenen, die in die virtuelle Welt im Leben vor Seths angeblichem Tod zurückführen. Sehr spannend wird die Geschichte für alle, die durchhalten: ab der Hälfte des Buches taucht das "Unding" auf und wilde Verfolgungsjagden und Kämpfe beginnen. Für den Leser ist der Wechsel zwischen den beiden Welten, aber vor allem die philosophischen Ausführungen, die zum Beweis der realen Welt führen sollten, eine intellektuelle Herausforderung. Manche Begründungen waren für mich nicht immer bis zum Schluss durchdacht oder oberflächlich. Besonders berührend aber die tragische Liebe der Hauptfigur zu seinem Freund Gudmund in der virtuellen Welt, von der auch der Titel herrührt: "Ich dachte immer, es gibt mehr auf der Welt als das. Jetzt weiß ich es. Du bist mein MEHR."
LHW.Lesen.Hören.Wissen / Sigrid Klotz


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Personen: Ness, Patrick Abarbanell, Bettina

Ness, Patrick:
Mehr als das : [Roman] / Patrick Ness. Aus dem Engl. von Bettina Abarbanell. - München : cbt, 2014. - 508 S.
ISBN 978-3-570-16273-6 fest geb. : ca. EUR 18,50

Zugangsnummer: 0054117001
Utopien, Science-Fiction - Signatur: JE.U Ness 12 - Kinderbücher