Taschler, Judith W.
Über Carl reden wir morgen Roman
Buch

Episoden aus dem Leben dreier Generationen einer Mühlviertler Müllersfamilie. (DR) Die erfolgreiche österreichische Autorin Judith W. Taschler hat sich mit ihrem neuen Roman viel vorgenommen: Von Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs erstreckt sich die Handlung, die das Schicksal der Familie Brugger, die im Mühlviertel eine Hofmühle betreibt, nachzeichnet. Sie liefert ein interessantes historisches Sittengemälde, schildert eindrucksvoll den harten Lebensalltag der ländlichen Bevölkerung und beschreibt die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Dienstboten in Stadt und Land. Besonders beeindruckend die junge Rosa Brugger, die ihre Nase gern in Bücher steckt, dem kargen Landleben entfliehen will und 1828 ohne Einwilligung der Eltern als Dienstbotin nach Wien geht. Und dort bitter erfahren muss, mit welchen Hintergedanken die hübschen jungen Mädchen vom Land an gut situierte Adelsfamilien vermittelt wurden… Unerfüllte Träume, skandalöse Entwicklungen, Vertuschung und Täuschung prägen auch weiterhin das von Umbrüchen gekennzeichnete Leben der Brugger. Da ist die dörfliche Rivalität mit dem größten Bauern im Ort, der seinen unehelichen Sohn, den er mit einer Magd gezeugt hat, aufs Schlimmste ausbeutet, da sind die drastischen Erlebnisse der Soldaten im Ersten Weltkrieg. Wie die Lebenswege des pflichtbewussten Carl und seines Zwillingsbruders Eugen, der in Amerika ein unstetes Dasein als Auswanderer fristet, auf tragische Weise miteinander verflochten sind, wird am Ende des Buches gelüftet. Mit dem Leben der einzelnen Protagonist*innen hätte locker jeweils ein eigener Roman gefüllt werden können. In dieser Familienchronik kann das Schicksal der Einzelnen freilich nur einen kleinen Raum einnehmen, vieles wird komprimiert und verdichtet erzählt. Das Buch wirkt ein wenig mit Details überladen und erfordert hohe Konzentration bei der Lektüre - auch um das Verhältnis der Figuren zueinander immer parat zu haben. Taschler springt in der Chronologie der Geschichte hin und her: An späterer Stelle im Text werden Details nachgereicht, wird offenbart, wie sich etwas zugetragen hat, wie alles zusammenhängt. Dadurch werden zwar Leerstellen gefüllt, es entstehen aber auch Redundanzen. Vielleicht ist unsereins aber auch einfach zu sehr verwöhnt von der spannungsgeladenen, stringenten Erzählweise in Taschlers Erfolgsroman »Die Deutschlehrerin«. Fazit: Hut ab vor der immensen Recherchearbeit, die in diesem kenntnisreichen Roman steckt. Dranbleiben lohnt sich!


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Taschler, Judith W.

Taschler, Judith W.:
Über Carl reden wir morgen : Roman / Judith W. Taschler. - Wien : Paul Zsolnay Verlag, 2022. - 459 Seiten
ISBN 978-3-552-07292-3 Festeinband : EUR 24,70 (AT)

Zugangsnummer: 2022/0932 - Barcode: 2-2061801-6-20002934-4
Schöne Literatur - Signatur: SL Tasc - Buch