Ein Buch, das zutiefst verstört. Und dies nicht nur, weil eine Kindheit geschildert wird, die von Misshandlung, Perversion und Ausbeutung erzählt. Jeremiah ist nach Sarah der zweite Roman des blutjungen Kultautors J.T. LeRoy. Auch diesmal handelt es sich eigentlich um eine Autobiografie, wiewohl der Text weit über die literarische Ebene bloßer Lebenserzählungen reicht und zu einem kleinen belletristischen Juwel wird. In der Erzählweise liegt der Grund für die literarische Qualität wie für die ungeheuerliche Verstörung. Denn es ist die naive, unschuldige Perspektive des Kleinkindes, die uns hier erzählerisch durch das Grauen führt.
"Jere-my". So sprechen jene Menschen seinen Namen aus, von denen der kleine Vierjährige sich Liebe und Zärtlichkeit erhofft. "My -- wie mein, du gehörst mir." Nichts wünscht sich der Junge sehnlichster, als zu jemandem zu gehören. Diese Sehnsucht bestimmt seine Wahrnehmung, alles, was ihm widerfährt, sucht er auf dieser Folie zu entziffern. Genau hier liegt das Perfide der Erzählung: Jeden Akt der Gewalt deutet der kleine Jeremiah um in einen Akt der Liebe, denn aus seiner Sichtweise kann es anders gar nicht sein. Und da er liebevolle Zärtlichkeit nie erfahren hat, denkt er, die Prügel des Großvaters, die Lügen der Mutter und die Vergewaltigungen durch deren Liebhaber seien Liebesbezeugungen, die man inständigst herbeiwünscht. Aus dieser Perspektive entwickelt sich eine atemberaubende Poetik, eine kindliche Bilderwelt, die gerade deshalb so fassungslos macht, weil sie auf einer ethisch falschen Begründung fußt. Die korrupte und gefühlskalte Welt der Erwachsenen wird umgedeutet in eine Welt voller Schönheiten, die einen wider Willen bezaubert. --RJ Poole
Über den Autor und weitere Mitwirkende
J.T. LeRoy ist Anfang Zwanzig und lebt als Autor und Journalist in Kalifornien. Er schreibt u.a. für die NY Press und hat 2001 seinen ersten Roman, Sarah, veröffentlicht, der von der internationalen Kritik hoch gepriesen wurde.
Personen: LeRoy, J. T. Schmidt, Michael
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LeR
LeRoy, J. T.:
Jeremiah / J. T. LeRoy. Aus dem Amerikan. von Michael Schmidt. - 1. Aufl. - Leipzig : Reclam, 2002. - 256 S. ; 21 cm
ISBN 3-379-00784-6 Pp. : EUR 19.90
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