Vowinckel, Dana
Gewässer im Ziplock Roman
Buch

Der Roman der jungen Autorin (Jg. 1996) beschreibt in faszinierender Weise eine aktuelle Familiengeschichte zwischen jüdischer Tradition einerseits und dem damit verbundenen Zweifel, ob ein Leben als Jude/Jüdin in Deutschland nach dem Holocaust, nach dem Anschlag in Halle andererseits überhaupt möglich ist. Die Aktualität des Buches vor dem Hintergrund der Ereignisse seit dem 7. Oktober 2023 und der Diskussionen in Politik und Gesellschaft ist unübersehbar.
Erzählt wird im Wechsel zweier Perspektiven. Zum einen steht die 15jährige Margarita im Mittelpunkt des Geschehens, aufgewachsen in Berlin bei ihrem alleinerziehenden Vater Avi. Die Sommerferien verbringt sie stets bei den Großeltern mütterlicherseits in Chicago, fühlt sich dort aber zusehends genervt von den Essensgewohnheiten und Tischmanieren der Oma, sehnt sich nach ihren Berliner Freunden zurück. Wenig begeistert ist sie von dem Plan, ihre Mutter Marsha in Jerusalem zu besuchen, die sie seit Kindergartenzeiten nicht gesehen hat. Ab der Ankunft in Israel läuft alles schief. ¬Die mit ihrer erwachenden Sexualität und Körperlichkeit ringende Margarita gerät ständig in Konflikte mit der Mutter, die dem Mädchen auf einer Kurzreise das Land zeigen will und mit ihrer areligiös-liberalen Haltung einen Gegenpol zum sehr gläubigen Vater darstellt.
Währenddessen überdenkt Avi, der sein Auskommen als Kantor in der Berliner jüdischen Gemeinde hat, sein Leben in Deutschland, wo er nach seiner Ausreise aus Israel mit seiner amerikanischen Partnerin und der in Hannover geborenen Tochter eine neue Heimat gefunden hat, auch wenn er mit der deutschen Sprache immer noch Schwierigkeiten hat. Die unerwartete Trennung von Marsha, die zu ihren Wurzeln in die USA zurückgekehrt ist, hat er über die Jahre zu erklären, zu verstehen gesucht. Letztlich scheiterte die Beziehung an der ungelösten innerjüdischen Debatte über das Leben in Deutschland.
Als der Streit zwischen Mutter und Tochter in Israel zu eskalieren droht, reist Avi ebenfalls dorthin; die lebensbedrohliche Krankheit der Großmutter in Chicago schließlich bringt die ganze Familie dort zusammen und lässt die unterschiedlichsten Aspekte des Jüdischseins aufeinanderprallen. Am Ende steht für Margarita die für einen Teenager kaum lösbare Frage im Raum, ob sie bei der Mutter in Chicago ihr von wenig einschränkenden Regeln bestimmtes Leben gestalten soll oder aber zu ihrem Vater nach Berlin zurückkehren, in den vertrauten Kreis ihrer Freundinnen und des jüdischen Gymnasiums.
Dana Vowinckel beherrscht ihr Metier des Schreibens; die Liste von Fachtermini aus der jüdischen Glaubenstradition am Ende des Buches ist zwar nicht vollständig, aber sehr hilfreich. Eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre!

Kirsten Blanck für das Büchereiteam


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Weiterführende Informationen


Personen: Vowinckel, Dana

Schlagwörter: Familie jüdisches Leben

Interessenkreis: Gemeindebriefrezensionen

Vowinckel, Dana [Verfasser]:
Gewässer im Ziplock : Roman / Dana Vowinckel. - Erste Auflage, Originalausgabe. - Berlin : Suhrkamp, 2023. - 362 Seiten ; 22 cm, 458 g
ISBN 978-3-518-47360-3 Festeinband : EUR 23.00

Zugangsnummer: 2023/0382 - Barcode: 2-3111140-7-00021904-4
Romane, Erzählungen - Signatur: Vow - Buch