Hedwig Pflüger kehrt heim in die Wohnung ihrer verstorbenen Großmutter. In einem langen Brief an ihre Oma erzählt sie von schönen und betrüblichen Ereignissen. Immer sind Zuversicht und eine leise, sinnliche Zugewandtheit zum Leben dabei. (DR) Die verwaiste Hedwig ist bei ihrer Oma aufgewachsen. Es hat ihr an nichts gefehlt, sie hatte viel Liebe, einen Platz zum Lernen und Studieren. Sie hat so viel Geborgenheit bekommen, dass es nach dem Studium zu viel an Enge und liebevoller Umklammerung war. Unvermittelt und ohne je zurückzukommen, bricht sie in ein neues Leben auf. Erst viel später, als sie vom Tod der Großmutter erfährt, richtet sie sich in der Wohnung in Wien ein und erinnert sich an alles: Die behütete Kindheit, das einfache, gute Essen, sogar der Geruch von Äpfeln, Brot und Speck ist plötzlich präsent. Auch das alte Radio ist noch da. Erinnerungen an die Schulzeit und das Studium, das ihre Großmutter befremdlich fand (stolz war sie jedoch immer auf sie), steigen auf. Die Affäre mit einem ihrer Dozenten, von der ihre Oma nichts wusste. Hedwigs Interesse an Politik, am Fall der Mauer, die Sehnsucht nach Weite und neuen Horizonten vergrößern die Kluft zwischen der Großmutter und der jungen Journalistin. So bricht sie auf, läuft weg - ihre Lebensstationen sind Berlin, Hamburg und Lissabon. Immer ist da auch eine Beziehung zu einem Mann, manchmal wird sie sehr geliebt, immer ist sie liebend, manchmal ordnet sie sich unter, macht sich klein. Bis sie einen Hund - Anton - pflegt und in ihr Leben nimmt, der die letzte Beziehung zu einem Mann versanden lässt. Nach Antons Tod ist ihre Trauer unerwartet tief. All das schreibt sie ihrer Oma, sie erzählt alles, leistet damit Abbitte für die jahrzehntelange Stille. Beinahe unbemerkt tut sich für die mehrfach enttäuschte Liebende auch noch eine neue Beziehung auf. Dieser Roman berührt durch die ehrliche, reflektierte Erzählung eines Lebens: Nichts wird ausgeklammert, weil Liebe, Enttäuschung, Hoffnung, Begeisterung, Trauer, einfach das pralle Leben, in diesem Buch stecken. Pluhars zarte, feinfühlige Sprache, diese Ehrlichkeit in allen Belangen macht lachen und trauern, macht heimisch mit der Protagonistin. Diesen Roman sollte man lesen!
751 bn.bibliotheksnachrichten / Angela Zemanek-Hackl
Personen: Pluhar, Erika
Pluhar, Erika:
Hedwig heißt man doch nicht mehr : eine Lebensgeschichte / Erika Pluhar. - Salzburg : Residenz Verlag, [2021]. - 315 Seiten
EAN 9783701717491 Festeinband : EUR 25.00 (AT)
Belletristik für Erwachsene - Signatur: DR PLUH - Buch Dichtung