Es ist schon fast wieder zur Mode geworden, die "Logorrhöe" in der Liturgie zu beklagen (Paul Michael Zulehner) und auf die Gefahr hinzuweisen, dass eine Flutwelle von Worten das biblische Wort ertränken und um seine Wirkung bringen kann. Durch den inflationären Gebrauch sind die großen Worte leer geworden, nur noch Floskeln oder Luftblasen ohne Fleisch und Blut. Zu viele Worte machen sprachlos. Karg und hohl wird die Sprache der Beziehung, erbärmlich die Phantasie in der Begegnung. Die Sprache der Sehnsucht nach Sinn und Glück scheint abgeholzt, das Wort von der Liebe hört sich papieren an, die Rede von der Hoffnung wird als bloßer Wunschtraum entlarvt. Tabuisiert wird in weiten Bereichen die Ethik, zum Unsinn degradiert das Reden von Gott. Ist das Schweigen die Therapie gegen den Wortdurchfall? Ist Gott, das missbrauchteste und beladenste aller Menschenworte, durch Verschweigen zu erlösen und rein zu waschen? Ein dekretiertes Schweigen, auch in einer ausschließlich negativen Theologie, die kein Wort mehr zulässt, ist in Gefahr, alles zu vergleichgültigen und in Zynismus und Resignation zu landen. Andreas Knapp, viele Jahre in der Hochschulseelsorge und in der Priesterausbildung in Freiburg tätig und jetzt bei den "Kleinen Brüdern vom Evangelium" lebend, kommt in seinem Gedichtband aus der Kontemplation, aus einem Schweigen, das aus der Ehrfurcht vor dem Geheimnis Gottes und aus dem Hören auf das Wort des Lebens kommt, das dem Fuß eine Leuchte ist. "Sprachengenie der Liebe / Wortschöpferin für das Unaussprechliche / feuertrunken von dir wird jede Zunge bewegt / und das Wort selbst eingefleischt." (34) Im vorliegenden Band wird der Bogen in der biblischen Schöpfungs- und Heilsgeschichte von Adam und Eva über Babel und Noah, Abraham und Johannes den Täufer zu Jesus und zum neuen Himmel und zur neuen Erde gespannt. Die Gedichte sind ausgespannt zwischen Erde und Himmel, Aufstieg und Abstieg, Mensch und Gott, Tod und Leben, Gegenwart und Verheißung. Im Menschen ist etwas Unersättliches, ein Hunger nach dem Leben, eine ungestillte Sehnsucht nach Liebe, eine Gotteswunde: "Im Menschen hungert das Leben abgründig nach dem Du." (7) Andreas Knapp weiß auch um die Kehrseite dieser Sehnsucht: "gefräßiger als dieses raubtier mensch ist nur noch der tod." (12) Knapps Gedichte sind eine Spurensuche, sie lauschen auf Klopfzeichen der Einladung und der Gastfreundschaft. Es sind aufgebrochene, auf das Du hin geöffnete Worte, Worte, die zum Aufbruch, zum Exodus und zum Transitus, aber auch zur Einfleischung in der Gegenwart hin geleiten.
Personen: Knapp, Andreas
Knapp, Andreas:
Weiter als der Horizont : Gedichte über alles hinaus / Andreas Knapp. - Würzburg : Echter, 2002. - 72 S.
ISBN 978-3-429-02506-9 kart. : ca. € 12,80
Sozialwissenschaften (Gesellschaftlehre, Politik, Wirtschaft, Recht) - Signatur: Cf2Kna/d - Buch