Den Himmel offen halten Priester sein heute
Buch

Namhafte deutsche Theologen und Bischöfe setzen sich in diesem Sammelband mit dem Fragenkomplex rund um das Priester-Werden und Priester-Sein in unserer Zeit auseinander, mit besonderem Blick auf die deutschen Bistümer. Ausgangspunkt aller Arbeiten ist das römisch katholische Priestertum mit den derzeitig gültigen Rahmen- und Zulassungsbedingungen. Es werden Versuche unternommen und Überlegungen angestellt, wie das Priesteramt und die Kirche die derzeitige Krise bestehen und ein fruchtbares Wirken der Priester im Gesamt der veränderten Seelsorge ermöglichen kann. Nach einem Geleitwort von Kardinal Lehman, in welchem er von der Vielgestalt des Priesterbildes spricht und als Grundproblem die Vermischung von Beruf - Amt - Dienst nennt, gliedert sich das Buch in vier große Themenkreise: 1) "Im Blickfeld: Wahrnehmungen und Erwartungen" (12-76): In den einzelnen Beiträgen geht es um das Priester-Sein heute im Licht des Evangeliums, aus der Perspektive der Ausbildung, im Spiegel gesellschaftlicher Erwartungen und zwischen Institution und innerer Erfahrung. Dabei legt G. Fürst ("Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und meine Zeugen sein", 12-18) besonderes Augenmerk auf die Funktion des Priesters als Zeuge und auf seine Spiritualität, die von einer "Beziehungszeit für Gott" geprägt sein muss. Als Regens des Priesterseminars Rottenburg-Stuttgart sieht C. Stroppel in seinem Artikel ("Wider die Ausdünnung der Zerissenheit", 19-40) eine Krise in der gegenwärtigen Sicht des Amtes. Faktisch hat sich ein "Amt ohne Weihe" entwickelt (22), und vielfach wird der Priester der konkreten Seelsorge entrückt und auf sakramentale Funktionen reduziert. Die großen Seelsorgeeinheiten der Zukunft sind zudem eine besondere Herausforderung, wobei tiefe Spiritualität und kooperative Seelsorge besonders gefragt sein werden. J. Frühbauer ("Der mit dem Volk tanzt", 42-63) fordert, dass der Priester seine Kompetenzen in den verschiedensten Bereichen der Seelsorge voll und ganz einbringen und auf Anderes und Neues zugehen soll, und er ermutigt die Priester, ganz bei den Menschen zu sein. Um eine fruchtbare Spannung und um das Korrektiv von innerer Berufung und Anerkennung der Berufung durch die Kirche geht es Ch. Hermes ("Der lautlose Ruf"). Gelingt das nicht, besteht die Gefahr eines Neoklerikalismus (Priesterberuf - Berufspriester). 2) "Ein Panorama: Dimensionen des priesterlichen Dienstes" (77-144): Diese Beiträge behandeln das Priester-Sein heute im Dienst der Ökumene, als Dienst an Einheit und Versöhnung, aus der Dynamik des Lebenszeugnisses und in seiner missionarischen Dimension. Auf die Enzyklika "Ut unum sint" geht W. Kaspar ("Priesterlicher Dienst in der Ökumene", 78-90) ein und legt das Augenmerk auf die bereits gemachten Schritte in der Ökumene. Er stellt vielfach auch eine große Unwissenheit bezüglich Ökumene unter den Priestern fest. Die besondere Aufgabe des Priesters im Dienst an der Einheit und der Versöhnung unterstreicht J. Kreidler, ("Lasst euch mit Gott versöhnen" 91-101). Versöhnung setzt bei der menschlichen Situation des Mangels, des Bedürfens, des Unheils und der Entfremdung an. Der Dienst der Versöhnung (sakramental) ist der Kirche übergeben; Grundlage ist das Wirken Jesu, und Priester sind Diener der Versöhnung. O. Fuchs ("Das Weiheamt in Horizont der Gnade", 102-125) bezieht sich auf die Notwendigkeit des Weiheamtes und fordert eine spezifische Priesterpastoral und eine offensive Berufungspastoral. Viel wird dabei davon abhängen, wie gegenwärtig Priester auf junge Menschen wirken, wie begeistert und begeisternd sie vom eigenen Leben Zeugnis geben können. Von der Frage des missionarischen Handelns der Kirche geht K. Krämer aus ("Geht hinaus in alle Welt", 126-144) und fragt weiter, in welchem Verhältnis der Dienst des Priesters zur missionarischen Sendung der Kirche insgesamt steht. Der Sendung geht die Sammlung voraus, wobei die communio der Kirche Jesu Christi der innerste Kern ist. Fünf Elemente einer missionarischen Spiritualität runden den Artikel ab (grundlegende Offenheit für Gott und Sendung zu den Menschen; Bereitschaft zur Tat; innere Weite und "sentire cum ecclesia"; Jesus als Vorbild annehmen; amtliche Repräsentanz im Einklang mit persönlicher Existenz). 3) "Schlaglichter: Zum Gelingen des priesterlichen Dienstes" (145-188): Diese drei Beiträge machen das Kirchenrecht und Unterscheidungsvermögen, gemeinschaftliche Lebensformen und Priesterseelsorge sowie Personalentwicklung zum Thema. E. Schockenhoff ("Glaubensbekenntnis und Treueversprechen" 146-165) nimmt das Treueversprechen zum Ausgangspunkt seiner Arbeit, das bei der Weihe zusätzlich zum Glaubensbekenntnis abzulegen ist. Das Treueversprechen ist seit alters her üblich und hat nichts mit dem "Antimodernismuseid" zu tun. Es geht vielmehr um Haltung und um eine innere Zustimmung zum katholischen Glauben in seiner Fülle, auch zu den kirchlichen Lehraussagen. Ein Geweihter kann nicht mit "ja, aber" oder mit "loyalem Dissens" sein Amt antreten (149). T. Renz ("Gemeinsam statt einsam, 166-175) betont einmal mehr die Notwendigkeit der priesterlichen Gemeinschaft, um einander zum "Sakrament des Bruders" zu werden (168), und um zum Heilsdienst an den Menschen zu reifen. Die Erstverantwortung des Bischofs für das Presbyterium nimmt G. Augustin ("Priesterseelsorge - Was ist das, ist es notwendig?", 177-188) ganz ernst. Die seelsorglichen Aufgaben muss er aber delegieren und Priester freistellen, damit sie dieser Aufgabe nachkommen können, um unter den Mitbrüdern die Weihegnade neu zu entflammen. Als Glaubens- und Weggemeinschaft soll die Freude am Priestersein gestärkt werden, und zwar nach dem Motto: "geh hin" und nicht "komm her", damit durch das Vorbild auch wieder junge Menschen angesprochen werden, diesen Beruf zu ergreifen (187). 4) "Horizonte: Theologische Verhältnisbestimmungen" (189-284): Diese Beiträge behandeln Priester-Sein heute im Horizont von: Reich Gottes und Kirche; Priestertum Christi und Priestertum in der Kirche; Bild Christi und Repräsentanz Christi; Gegenwart des Glaubens und Perspektiven der Zukunft. So führt G.L. Müller ("Das Verhältnis von Reich Gottes und Kirche", 190-204) aus, Jesus habe das Reich Gottes verkündet, und daraus sei das Volk Gottes als Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes geworden. Es gebe einen inneren Zusammenhang von Gottes Reich und Kirche. Die Kirche besitze ihre Legitimität durch die Rückbindung an den geschichtlich wirkenden Jesus und bestehe aufgrund des Wirkens des Heiligen Geistes, nicht aufgrund von Privatoffenbarungen. Müller verweist auch auf die einschlägigen Konzilstexte. Die Krise des sakramentalen Amtes in der Kirche sieht er in engem Zusammenhang mit der Krise der Akzeptanz der geschichtlichen Offenbarung. - Ursprung, Grund und Legitimation des geweihten Amtes liegen in Person und Sendung Jesu Christi, stellt G. Augustin ("Priestertum Christi und Priestertum in der Kirche. Überlegungen zum Proprium des priesterlichen Dienstes", 202-245) fest und entfaltet diese These auf verschiedenen Ebenen: Taufe, Firmung und Communio der Kirche sind die Grundlagen, und der Geweihte ist Repräsentant - so wie Jesus selbst - für die Erlösung. Er lässt das Wirken Gottes sichtbar werden, und das besonders in der Eucharistie. Augustin resümiert, dass das Proprium des Geweihten nicht die Gemeindeleitung, sondern die Verherrlichung Gottes durch die Darbringung des Opfers Christi ist. Der Priester muss die Sehnsucht des Menschen nach Transzendenz wahrnehmen und "Den Himmel offen halten" (241). Aus ostkirchlicher Sicht bringt M. Kunzler ("Bild Christi. Ostkirchliche Zugänge zum Priestertum", 246-268) den Aspekt der himmlischen Liturgie ein und den Aspekt, dass damit der priesterliche Dienst als Ikone (sichtbare Darstellung) des Hohepriestertums zu sehen ist. Besondere Bedeutung hat der Priester auch durch die Bevollmächtigung zum Sprechen der Epiklese (258). M. Kehl ("Perspektiven für den priesterlichen Dienst. Theologische Zeitdiagnose", 269-284) orientiert sich an nicht gerade ermutigenden neuesten soziologischen Untersuchungen und resümiert, dass die theologisch höchst sinnvolle Zuordnung von einem Priester zu einer Gemeinde praktisch nicht mehr möglich ist oder sein wird (269). Der Priester wird "ad extra" (Kirche als Dienstleistung bei besonderen Ereignissen) und "ad intra" (als sakramentales Zeichen und im Dienst an der Koinonia, der Bündelung von Martyria, Liturgia und Diakonia) tätig werden müssen (277). Kehl diagnostiziert auch, dass die Priester einen wohl sehr schmerzlichen Abschied von der Gemeindepastoral nehmen und vermehrt "Seelsorge für die Seelsorger/innen" betreiben müssen. Immer größere Seelsorgeeinheiten sind für Kehl "dann doch noch die bessere Perspektive für diesen Beruf, als der gegenwärtig bei uns weithin praktizierte und letztlich wohl aussichtslose Versuch, flächendeckend für alle Gemeinden … Priester bereitzustellen" (280). Insgesamt ein interessantes Buch mit sehr unterschiedlichen Artikeln, das von verschiedensten Seiten das Priester-Sein heute beleuchtet und dazu ermutigen will, "den Himmel offen zu halten".


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Personen: Lehmann, Karl Augustin, G Kreidler, J.

Standort: HB W I

Schlagwörter:

Ki 09.4 Augus

Den Himmel offen halten : Priester sein heute / G. Augustin , J. Kreidler (Hg.) ; mit einem Geleitwort von Karl Kardinal Lehmann. - Freiburg ; Basel ; Wien : Herder, 2003. - 288 Seiten
Einheitssacht.: Den Himmel offen halten
ISBN 978-3-451-27986-7 Broschur

Zugangsnummer: 2022/2182
Priesterliche Dienste - Buch