Gelmi, Josef
Geschichte der Kirche in Tirol Nord-, Ost- und Südtirol
Buch

Das vorliegende Werk stellt eine gründlich überarbeitete, stark erweiterte Fassung der 1986 erschienenen "Kirchengeschichte Tirols" dar, welche ich seinerzeit ausführlich besprochen habe. Die behandelte Materie ist sehr komplex, gehörten doch im Verlauf der Geschichte die Gebiete Tirols zu über einem Dutzend verschiedener Diözesen, von denen jede ihre eigenen Entwicklungen hatte. All dies zu berücksichtigen, stellte an den Autor keine geringen Ansprüche. Professor Gelmi ist es auf Grund seines großen Wissens, seines didaktischen Geschickes und seines Sprachvermögens gelungen, die angedeuteten Schwierigkeiten souverän zu meistern. Es ging ihm vor allem darum, dem Leser das Werden und die Entwicklung der Kirche in Tirol zu erschließen und den Blick zu schärfen für Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten, welche durch die "Ziehung der Brennergrenze" in Gefahr geraten sind, heute übersehen zu werden. Das Buch stellt tatsächlich einen wichtigen Beitrag zum Verstehen der Gegenwart im Raum von Tirol dar. Der reiche Inhalt der elf großen Kapitel kann hier nur stichwortartig angegeben werden. Die Anfänge der Kirche in Tirol reichen in die Römerzeit zurück. Die Identifikation des in Mais verehrten hl. Valentin, des späteren Passauer Diözesanpatrons, mit dem in der Vita S. Severini erwähnten "Valentinus Raetiarum episcopus" scheint mir allerdings fraglich zu sein. Ein ganz einschneidendes Ereignis war die Verlegung des Bischofssitzes von Säben nach Brixen im ausgehenden 10. Jahrhundert. Für die Gesamtkirche bedeutsam waren die Designation des Brixener Bischofs Poppo zum Papst (1047), der den Namen Damasus II. annahm, und die bekannte Synode von Brixen 1080, bei der Papst Gregor VII. abgesetzt wurde, was dem Ansehen der Bischofsstadt freilich schadete. Die Entstehung der Pfarrorganisation vom 11.-13. Jh. wurde vom Autor mit sicheren Strichen nachgezeichnet. Hervorgehoben seien auch die lebendig geschriebenen Abschnitte über den berühmtesten Brixener Bischof, Kardinal Nikolaus von Kues, sowie über dessen Nachfolger Georg II. Golser, der zum "Hexenunwesen" seiner Zeit deutlich auf Distanz ging. Reformation, Gegenreformation und Konfessionalisierung nahmen auch in Tirol den üblichen Entwicklungsgang. Die Täuferbewegung wurde durch Jakob Huter aus St.Lorenzen im Pustertal eindrucksvoll repräsentiert. Nachkommen seiner Anhänger kamen über Mähren, Siebenbürgen und Rußland Ende des 19. Jh. schließlich nach Nordamerika, wo es heute noch an die 30.000 "Tiroler Täufer" gibt. Das lebendige Frömmigkeitswesen der Barockzeit, das den Orden starke Impulse verdankt, konnte von der Aufklärung und Säkularisation keineswegs beseitigt werden. Die Restauration führte gerade in Tirol zur Ausbildung einer blühenden Volkskirche. Die Erschütterungen durch die Revolution von 1848 und die Auseinandersetzungen mit dem politischen Liberalismus blieben auch Tirol nicht erspart, ja es kam hier zu einem regelrechten "Kulturkampf" (308), der schärfere Formen annahm als im übrigen Österreich. Nicht unerwähnt darf das Erste Vatikanische Konzil bleiben, da auf ihm der Brixener Bischof Vinzenz Gasser, "obwohl als Theologe nicht literarisch ausgewiesen", eine wichtige Rolle spielte. Er war Mitglied der Glaubenskongregation und wirkte letztlich mäßigend auf die "Unfehlbarkeitslehre" beziehungsweise deren Formulierung ein, was m.E. den Linzer Bischof Franz Joseph Rudigier, der das Unfehlbarkeitsdogma ursprünglich nicht für opportun hielt, veranlasst haben dürfte, für die Definition zu stimmen. Die Ereignisse des 19. Jh. mündeten ein in den Untergang der Monarchie und damit auch in die Aufteilung Tirols. Die tiefen Spuren, welche diese Vorgänge in der Kirche hinterließen, seien durch die Schlagworte Faschismus, Option und Nationalsozialismus angedeutet. Mit kraftvollen Strichen hat der Verfasser auch die Nachkriegsgeschichte gezeichnet. Erwähnt sei hier nur die neue Diözesanregulierung (Diözesanerhebungen Bozen-Brixen 1964, Innsbruck-Feldkirch 1964, Feldkirch 1968). Die Benützung des stattlichen Bandes wird dem Leser wesentlich erleichtert durch die reiche Ausstattung mit Karten und Bildern, die aufgenommenen Listen und Statistiken, die umfangreichen Verzeichnisse der Quellen und der Literatur sowie das sorgfältige Register.


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Personen: Gelmi, Josef

Standort: HB W I

Schlagwörter: Mittelalter Österreich Nationalsozialismus Reformation Christianisierung Aufklärung Tirol Südtirol

KG 09.1 Gelmi

Gelmi, Josef ¬[Verfasser]:
Geschichte der Kirche in Tirol : Nord-, Ost- und Südtirol / Josef Gelmi. - Innsbruck ; WIen : Tyrolia-Verlag, 2001. - 640 Seiten : Illustrationen
Einheitssacht.: Geschichte der Kirche in Tirol
ISBN 978-3-7022-2350-2 Festeinband

Zugangsnummer: 2022/3038
Allgemein / Diözesane Geschichte - Buch