Eine Untermauerung der anthropologischen Gewalttheorie Girards durch das Neue Testament. Der französische Kulturtheoretiker René Girard untermauert mit dem vorliegenden Werk aus der Sicht des Christentums seine kulturtheoretische Theorie der Gewalt, die er in seinem Hauptwerk "Das Ende der Gewalt" aus der Lektüre mythologischer Texte ableitet: Zentralbegriff ist das "mimetische Verlangen", das den Menschen in eine Gier nach Besitz und damit in eine Spirale von Gewalt treibt; besonders in Krisenzeiten wehren sich Kollektive mit Gewalt, die sich gegen Sündenböcke richtet und damit die gestörte Ordnung zum Göttlichen wieder herstellt (Sakralverhalten). Ist die Gewalt in den Mythen noch versteckt und zufällig, so wird sie in den Evangelien offen gelegt - und damit auch kritisierbar. Am Geschick Jesu wird die gewalttätige Mimetik aufgezeigt und der Sündenbockmechanismus durchbrochen. In diesem Zusammenhang bringt Girard die biblische Rede vom Satan zur Sprache: Sein Wesen ist die Verkörperung des mimetischen Begehrens, der Ausdruck des Zerfalls der Gesellschaft, der Krieg aller gegen alle; er verkörpert den Opfermechanismus, also die Wahl eines Sündenbocks und dessen einmütige Ermordung. Da nach Girards Meinung allen mythologischen und biblischen Gewalttaten reale Ereignisse zu Grunde liegen, kann Satan nicht als verzichtbarer mythologischer Rest abgetan werden. Hier setzt auch die Kritik an: Selbst wenn sich Girard nicht mit christlichen Glaubensgrundsätzen beschäftigt, sondern der Anthropologie des Religiösen nachgeht, ist es recht erstaunlich, wie "souverän" er die theologische Bibelkritik ignoriert (Stichwort: Entmythologisierung) und biblische Aussagen im Ton der kulturwissenschaftlichen Analyse für seine Theorie vereinnahmt.
Personen: Sloterdijk, Peter Girard, René Mainberger-Ruh, Elisabeth
Standort: HB W I
Th 01 Girar
Girard, René [Verfasser]:
Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz : eine kritische Apologie des Christentums / René Girard ; mit einem Nachwort von Peter Sloterdijk ; aus dem Französischen von Elisabeth Mainberger-Ruh. - München : Carl Hanser Verlag, 2002. - 253 Seiten
Einheitssacht.: Je vois Satan tomber comme l'éclair. - Aus dem Franz. von Elisabeth Mainberger-Ruh
ISBN 978-3-446-20230-6 Festeinband
Allgemein - Buch