"Karl Rahner erwog in verschiedenen Gesprächen, ob Klein mit seinen theologischen Anstößen nicht vielleicht der bedeutendste katholische Theologe dieses Jahrhunderts sei" (G. Greshake, in: LThK3 VI, 122). Joseph Ratzinger nannte ihn den "Sokrates von heute" (19). Dennoch ist P. Wilhelm Klein SJ (1889-1996), u. a. Professor für Philosophie in Valkenburg, Rektor der Hochschule St. Georgen, Provinzial der Niederdeutschen Provinz und Spiritual am Collegium Germanicum et Hungaricum, selbst vielen Theologen ein Unbekannter, nicht zuletzt, weil er kein einziges Werk veröffentlicht hat. Dies entspricht seiner theologisch-spirituellen Überzeugung, dass "Sprache, Wissen und Vernunft nur ‚praeambula fidei', Vorwege des Glaubens, sind" (65) und man "beim Sprechen oder Schreiben ‚das Risiko eingeht, am Wort haften zu bleiben'" (63), es "zu ver-ab-solutieren" (80) und damit "die Schöpfung vom Schöpfer zu trennen" (ebd.): Der "wahre Unterschied verläuft zwischen ‚Glauben' auf der einen und Denken, Sprechen, Tun, der ganzen Welt des ‚logos' auf der andern Seite" (30). Konsequenterweise hatte Klein daher die Manuskripte seiner Vorträge im Germanicum, die er in den Jahren 1958-1961 wahrscheinlich im Auftrag seiner Vorgesetzten für den Fall einer offiziellen Beanstandung anfertigte, zum Verbrennen bestimmt. Durch glückliche Umstände blieben sie aber erhalten und wurden "ad usum privatum" (22) veröffentlicht. Die vorliegende Monographie stellt in ihrem ersten Teil (19-95) das Wirken Kleins, die Geschichte seiner Handschriften und wichtige Prinzipien seiner Theologie erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor und macht im zweiten Teil (97-182) ausgewählte Texte zu "Ursprung und Quelle des gesamten Denkens von Wilhelm Klein" (45), zum "Mariengeheimnis", zugänglich. Dass Maria um 1960 in geistlichen Ansprachen an römische Alumnen einen wichtigen Platz einnimmt, scheint im Gefolge der Hochblüte der marianischen Frömmigkeit und der in ihrem Dienst stehenden Privilegienmariologie nicht weiter verwunderlich. Darlegungen zu "Maria im Römerbrief" (bes. 121-131) und zu Maria im Johannesprolog (131-153) lassen aber aufhorchen: Wird hier nochmals überboten, was die Schultheologie über die einzigartige Stellung der Mutter des Erlösers ausgeführt hat? Man muss diese Frage zugleich bejahen und verneinen: Maria kommt im Denken von Klein eine weitaus zentralere und umfassendere Bedeutung zu als in der neuscholastischen Mariologie seiner Zeit. Aber ihre besondere Nähe zu Christus drückt sich nun in einer ebensolchen Nähe zu allen Gläubigen aus. Klein schreibt nicht die Schultheologie fort, sondern er erkennt im Mariengeheimnis "das Geheimnis der Schöpfung, in welcher der Schöpfer geschaffen hat, schafft und fortfährt zu schaffen: ‚das Wesen', die geschaffene Natur" (60), die reine, makellose Schöpfung. Maria ist "die charis, die geschaffene Gnade" (ebd.) und damit "unser persönliches Geheimnis" (61). Das gilt für jede Phase der Heilsgeschichte, weil es "nie eine Sündenordnung ohne Erlösungsordnung gegeben" (60) hat. Die Augen des Glaubens erkennen in Maria daher nicht nur eine konkrete Person, sondern ein Prinzip, das die ganze Schöpfung prägt. Indem sie Schöpfung ist, "die in ihrem Schöpfer lebt" (14), kann Christus aus ihr ein geschaffenes Wesen annehmen und als "Gott in der Menschheit" (56) ankommen, sodass er in ihr nicht als ein bloß menschliches Individuum, nicht als ein Geschöpf, gegenwärtig ist, sondern als der Schöpfer, "der in der Schöpfung lebt" (14). Die skeptische Haltung Kleins gegenüber der Sprache erweist sich von hier aus ebenso als Konsequenz seines Zugangs zu dem alles prägenden Mariengeheimnis wie der spirituell-anredende Charakter seiner Theologie. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Zuhörer - und selbst noch die Leser seiner Aufzeichnungen - nicht in einer neutralen Distanz belässt und auch nicht belassen kann und darf, weil sie sonst zugleich mit ihrer eigenen marianischen Bestimmtheit auch die dynamische, auf das je neue Ankommen im Menschen ausgerichtete Überfülle des Wortes Gottes verfehlt. Das aber wäre nichts anderes als seine Herabstufung zu einem bloßen Menschenwort. Der Weg, auf dem Klein zu diesen Einsichten gelangt, ergibt sich zunächst aus einer an den Methoden der Kirchenväter, insbesondere an Augustinus (51f. 54f. 99f. 107f.), orientierten Auslegung der Bibel. Diese weiß um die Differenz zwischen Buchstabe und Geist, um die Begrenztheit des menschlichen Verstehens und um die Mehrzahl der wahren Sinne eines einzelnen Satzes. Wichtiger Orientierungspunkt sind ihm sodann die Schriften Ludwig Maria Grignons von Montfort, wobei er das Ziel verfolgt, die Ausführungen dieses Heiligen theologisch fruchtbar zu machen (vgl. 52, Anm. 45). Schließlich gilt Klein als herausragender Kenner der Philosophie Hegels (24. 49-51). Sie stellt für ihn jenen Horizont dar, von dem er sich kritisch abgrenzt, indem er immer wieder den Unterschied von Schöpfer und Schöpfung, von Schöpfer und Geschöpf hervorhebt (vgl. z.B. 51. 55f. 121. 136. 154-156). Aus systematischer Sicht zeigen die wenigen "Kostproben" (15), die Trentin aus den Manuskripten Kleins ausgewählt hat, dass dem marianischen Prinzip grundlegende Bedeutung für die Entfaltung der einzelnen theologischen Traktate zukommt. Von ihm her erschließen sich z.B. das Gutsein der Schöpfung, der Vorrang der Erlösungsordnung vor der Sündenordnung oder das rechte Verständnis der Inkarnation, aber auch die Integration der Person Marias in das Ganze der Heilsgeheimnisse und die Untrennbarkeit von Theologie und Spiritualität. Wegen der klaren Unterscheidung zwischen Schöpfer und Geschöpf ist dieser Zugang zu Maria auch in ökumenischer Hinsicht bedeutsam. Bemerkenswert ist die große Nähe zum Ansatz Hans Urs von Balthasars, der die neuscholastische Mariologie ebenfalls im Ausgang von einem die ganze Schöpfung umgreifenden marianischen Prinzip überwindet, indem er sich wie Klein die Schriftauslegung der Väter zu eigen macht und sich der Auseinandersetzung mit Hegel stellt. Die kritische Frage, welchen Stellenwert die konkrete Geschichte behält, trifft Klein ebenso wie Balthasar. Für einen in mehrfacher Hinsicht aufschlussreichen Vergleich der beiden Ansätze wäre allerdings ein Rückgriff auf die nur "ad usum privatum" veröffentlichten Texte nötig. Noch ist ungeklärt, ob, in welcher Form und wann die Manuskripte Kleins allgemein zugänglich gemacht werden. Da sie aber gleich mehrmals knapp der Vernichtung entgangen sind, bestätigt sich der Eindruck, dass sie "auf irgendeine Weise bis zu uns gelangen sollten" (37, Anm. 26).
Personen: Greshake, Gisbert Trentin, Giuseppe Romahn, Walter
Standort: HB W I
Th 17 Trent
Trentin, Giuseppe ¬[Verfasser]:
Im Anfang : das "Mariengeheimnis" in den Handschriften von Wilhelm Klein / Giuseppe Trentin ; herausgegeben und bearbeitet von Gisbert Greshake ; übersetzt von Walter Romahn. - Würzburg : Echter, 2006. - 184 Seiten
Einheitssacht.: Im Anfang
ISBN 978-3-429-02817-6 Broschur
Mariologie - Buch