Matuschek, Dominik
Konkrete Dogmatik die Mariologie Karl Rahners
Buch

Die 2011 bei Prof. Karl-Heinz Menke in Bonn abgeschlossene und mit dem Karl-Rahner-Preis 2012 ausgezeichnete Dissertation nähert sich dem Denken Rahners aus einer ungewohnten Perspektive, nämlich aus der seiner mariologischen Arbeiten. Damit soll nicht nur ein wenig bekannter Rahner ans Licht gehoben, sondern auch ein neuer, im Vergleich zum Ausgang von seinem transzendentalen Ansatz einfacherer und vor allem konkreter Zugang zu seiner Theologie erschlossen werden. Möglich ist dies, weil Rahner die Mariologie nicht als einen eigenen Traktat versteht, sondern als "ein Integral seiner Theologie" (15), wobei er das Menschsein Marias in das Zentrum seiner Überlegungen stellt. Theologiegeschichtlich ist dies insofern bemerkenswert, als seine explizit zur Marienthematik verfassten Schriften nahezu ausnahmslos vor dem Konzil entstanden sind. Rahner muss daher zu den Überwindern der neuscholastischen Privilegienmariologie und zu den Wegbereitern der vieldiskutierten Eingliederung des Marienschemas in die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanums gezählt werden. Matuschek entfaltet sein Thema in fünf Kapiteln, von denen das erste (11-30) als Einleitung fungiert. Der zweite, umfangreichste Abschnitt (31-230) ist der Darstellung der mariologischen Schriften Rahners gewidmet. Unter ihnen nimmt die erst posthum in den Sämtlichen Werken (Bd. 9, 3-392) allgemein zugänglich gemachte Assumptio-Arbeit den ersten Rang ein, gefolgt von den theologischen Betrachtungen Maria, Mutter des Herrn und einigen kleineren Texten pastoralen und dogmatischen Charakters, die u. a. die Unbeflecktheit Marias, die Weihe an sie, Marias Bedeutung für das Apostolat, die Frage ihrer immerwährenden Jungfräulichkeit oder Grundsätze einer theologisch verantworteten Marienpredigt thematisieren. Die detaillierte Wiedergabe der Erwägungen Rahners soll nach Matuschek sichtbar machen, dass dessen "Denken stets in Zusammenhängen erfolgt, und an Maria viele dieser Interrelationen der einzelnen theologischen Traktate deutlich werden" (31). So beinhalten beispielsweise die Reflexionen Rahners zum Dogma der Aufnahme Marias in den Himmel grundlegende Auseinandersetzungen mit dem Problem der Dogmenentwicklung, mit verschiedenen Fragen der Eschatologie oder einer Theologie des Todes und spezifizieren die so gewonnenen Einsichten für "die vollkommenste Erlöste" (131). Ersteres geschieht, um "die Plausibilität von Aussagen über die Vollendung Mariens [zu] erweisen" (104), Letzteres zeigt die Fruchtbarkeit der Auferstehung Christi und die Einheit von objektiver und subjektiver Erlösung in ihrer leib-seelischen Konkretheit. Bezogen auf die Mutter des Herrn ist "das Dogma von der Assumptio […] das ganze Dogma von Maria, ausgesagt im Hinblick auf die Endgültigkeit des Ausgesagten" (149 mit Verweis auf SW 9,324). Rahners Mariologie als "konkrete Dogmatik" darzustellen ist die Aufgabe des dritten Kapitels. Hier wird Maria - nach Vorbemerkungen zum Selbstverständnis Rahners als dezidiert kirchlicher Theologe, zu seinem Umgang mit der Schrift und zum vollkommenen Erlöstsein Marias als Grundprinzip seiner Mariologie - aus der Perspektive der einzelnen Traktate in den Blick genommen. Der Gotteslehre ist Marias Erwählung zur Gottesgebärerin und damit ihr notwendiges Einbezogensein in den Erlösungsbeschluss zugeordnet. Aus der Christologie Rahners, die sich der Tendenz zu einer monophysitischen Interpretation des Dogmas von Chalcedon entgegenstellt, indem sie entschieden für das vollständige Menschsein Christi eintritt, ergibt sich für den theologischen Ort Marias im Heilsgeschehen, dass man in ihr "wohl ein herausragendes Glied der Menschheit erkennen" kann, "die eigentliche Repräsentation der Menschheit bei Gott […] aber durch die menschliche Natur Jesu" (252) geschieht. Unterstrichen wird dieser Gedanke noch dadurch, dass - so wie Matuschek die Diskussionen um die Mariologie Kösters skizziert - eine Unterbewertung der menschlichen Natur Christi die Ausbildung einer Privilegienmariologie nach sich zieht und dass Rahner aufgrund seines neuzeitlichen Freiheitsverständnisses den Gedanken der Stellvertretung ablehnt. Gnadentheologisch kommen z. B. die Menschwerdung, Marias Fürbitte und Mittlerschaft, ihr freies, Geist und Leib umfassendes Jawort und ihr Erlöstsein zur Sprache. Für die Kirche ist Maria ihre vollkommene Repräsentantin, wodurch zugleich der personale Charakter der Heilsgeschichte unterstrichen wird. Der Anthropologie weist Matuschek die Themen Kreatürlichkeit, unbefleckte Empfängnis und Sündenlosigkeit sowie die unterschiedlichen Ausprägungen des Frauseins Marias und ihre Schmerzen zu, in der Eschatologie spannt er den Bogen von der Theologie des Todes über den Tod Christi und die Vollendung Marias hin zur Gemeinschaft der Heiligen und der Vollendung der Welt. Das vierte Kapitel skizziert praktische Aspekte des Zugangs zu Maria - unterschiedliche Formen ihrer Verehrung, ihren Vorbildcharakter für Klerus und Laien oder die Bedeutung ihres Frauseins -, stellt Quellen und Leitmotive der Mariologie Rahners sowie deren Bedeutung für die Sicht Marias auf dem Konzil heraus und nimmt kurz auf die durch Menke und Hartmann vorgebrachte Kritik Bezug, die eine Weiterführung der Marienlehre Rahners durch die Vertiefung des Bundesgedankens anregt. Im fünften Kapitel, das als "Schlusswort" dient, benennt Matuschek schließlich weiterführende Fragestellungen, die sich aus Rahners Zugang für die Mariologie, aber auch für die Dogmenentwicklung, das Amts- und Kirchenverständnis, die Anthropologie, die Auffassung von der Geschichte oder das Wirken Gottes in der Welt ergeben. Es ist das Verdienst der vorliegenden Dissertation, dass sie Rahners Anliegen der Integration der Mariologie in das Gesamt der Theologie aufgenommen und diese in ihren vielfachen Verflechtungen, aber ebenso in ihren bedenkenswerten Einzelergebnissen und in ihrer Alltagsrelevanz dargestellt hat. Zugleich werden aber auch deren Grenzen deutlich. Rahners Christologie und seine Ablehnung des Stellvertretungsgedankens haben zur Folge, dass er die Implikationen des vollkommenen Erlöstseins Marias nur für ihre konkrete Person bedenken kann, sodass er zur Vermeidung einer Privilegienmariologie zugleich dessen Gemeinsamkeiten mit dem Erlöstsein aller anderen Menschen unterstreichen muss. Im Unterschied dazu lässt sich im Ausgang vom kreuzestheologisch interpretierten Gedanken der Stellvertretung des Menschengeschlechts durch Maria ihre besondere Erwählung als eine zugunsten der Sünder enteignete verstehen, sodass sich der bleibende Vorrang Marias als kirchlich-unterfassende Ermöglichung der Teilhabe aller Erlösten an ihrer marianisch-empfangenden Offenheit für Christus realisiert.


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Serie / Reihe: Innsbrucker theologische Studien 87

Personen: Matuschek, Dominik

Standort: HB W I

Schlagwörter: Maria Dogmatik Mariologie Karl Rahner

Th 17 Matus

Matuschek, Dominik ¬[Verfasser]:
Konkrete Dogmatik : die Mariologie Karl Rahners / Dominik Matuschek. - Innsbruck ; Wien : Tyrolia-Verlag, 2012. - 500 Seiten. - (Innsbrucker theologische Studien; 87)
Einheitssacht.: Konkrete Dogmatik
ISBN 978-3-7022-3207-8 Broschur

Zugangsnummer: 2022/0530
Mariologie - Buch