Vorwort des Autors: Zu seinem Siebzigsten im August des vergangenen Jahres schrieb ich Hans Urs von Balthasar einen erweiterten Geburtstagsbrief: Thesen zu einer trinitarischen Ontologie. In seinem Werk begegnet mir die Alternative zu einem bloß anthropologischen Ansatz der Theologie, der Gott in die Bedürfnisse und Verständnismöglichkeiten des Menschen hinein verrechnet, aber auch zu einem statischen und deduktiven theologischen Denken, das die Heilsereignisse zu Exempeln einer in sich stimmigen Metaphysik degradiert. Nichts von der Fülle des Dogmas, nichts von seiner denkerischen Entfaltung in der Tradition wird dabei weggestrichen oder durch hermeneutische Kunstgriffe umgebogen - aber auch nichts vom Geschichtlichen, Ereignishaften, das uns in der Unmittelbarkeit der Schrift begegnet, wird verharmlost. Die spekulative Kühnheit und differenzierende Genauigkeit, zu denen patristische und scholastische Theologie emporwuchsen, werden nicht ins Museum verbannt. Die Dynamik eines geschichtlichen Denkens, die Perspektiven eines verwandelten Seinsverständnisses, die gegenwärtiges Bewußtsein prägen, bleiben nicht draußen vor der Kirchentür. Gewiß [8] geht das zuerst und zutiefst die Theologie an. Aber es werden, bei Balthasar deutlich genug, die Struktur des Denkens, die Weise des Sehens, die Begegnung mit aller Wirklichkeit, das persönliche Verhalten insgesamt betroffen, ja verwandelt. Mit der Theologie werden Philosophie und Spiritualität neu. Und dies nicht irgendwoher, sondern aus der Mitte unseres Glaubens, aus dem trinitarisch gelesenen Christusereignis.
Treibt dieser Impuls eines Hans Urs von Balthasar nicht hin zu einer neuen, zu einer trinitarischen Ontologie? Meinen Geburtstagsbrief verstand ich als die Formulierung dieser Frage, zugleich als Dank und Antwort an Balthasar. In der vorliegenden Fassung habe ich einige Ergänzungen und Verdeutlichungen eingetragen, dabei aber durchaus den Charakter des Anfänglichen, Fragmentarischen, in seinen Begründungen und Konsequenzen Unausgewiesenen belassen. Die Frage, die mir der Gedanke Balthasars aufdrängt, möchte ich so auch den Lesern dieses Bändchens stellen.
Serie / Reihe: Kriterien 40
Personen: Hemmerle, Klaus
Standort: HB W I
Th 04 Hemme
Hemmerle, Klaus ¬[Verfasser]:
Thesen zu einer trinitarischen Ontologie / Klaus Hemmerle. - Einsiedeln : Johannes-Verlag, 1976. - 72 Seiten. - (Kriterien; 40)
Einheitssacht.: Thesen zu einer trinitarischen Ontologie
ISBN 978-3-265-10171-2 Broschur
Trinität - Buch