"Wer ist die Kirche?" die Referate am Symposion zum 10. Todestag von Hans Urs von Balthasar
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Das Symposion fand vom 16.-18. September 1998 an der Universität Fribourg statt. "Es lohnt sich gerade in einer Zeit des drohenden kirchlichen Selbstverlustes nach der geheimnisvoll eingerichteten Selbstidentität des Kollektivsubjekts Kirche zu fragen" (A.M. Haas, Präsident der Stiftung, 9). Das französische und das italienische Referat sind auch ins Deutsche übertragen. Kurt Koch (Basel) gibt die Ekklesiologie von Balthasars in nuce kompetent wieder: Die Überbetonung des Sozial- und die Unterbelichtung des Mysteriumcharakters ist die Kontrastfolie für die "durch und durch personale Ekklesiologie" von Balthasars (29). Nicht ein Was, sondern ein Wer ist die Kirche: ein Gefüge konkreter Personen, mit der Hauptperson Jesus Christus, "Ausdehnung, Mitteilung, Teilgabe der Personalität Christi" (15). Die Bilder "Leib" und "Braut" bringen die Verbindung von Christus und Kirche als Einheit und Verschiedenheit zur Sprache. Das "marianisch-weibliche Prinzip" (Liebesgemeinschaft) hat vor dem "petrinisch-männlichen Prinzip" (Amt, Sakramente) den Vorrang. Die bräutliche Begegnung von Gott und Geschöpf ist der eigentliche Kern der Kirche (20), eingetaucht in die trinitarische Opposition innerhalb der Identität (25). Der Liebesjünger Johannes hat die Aufgabe, durch Zurücktreten ein Herausfallen des petrinischen Amtes aus der fundamentalen "marianischen Heiligkeit" zu verhindern. Barbara Hallensleben (Fribourg) kritisiert von Balthasar im Vergleichen mit dem orthodoxen Theologen Sergij Bulgakov (†1944). Beide begründen das Mysterium Kirche in der innertrinitarischen Kenose. Das verbindet sie. Aber an der Sophia, der göttlichen Natur, dem realen Inhalt der innertrinitarischen Kommunikation, scheiden sie sich. Für den Schweizer sei die wechselseitige kenotische Hingabe ein Bewusstseinsakt, der Inhalt das jeweilige Ich der göttlichen Personen; sie bleibe merkwürdig formal und inhaltlich leer. "Da das Ich den einzigen Inhalt personaler communicatio darstellt, zugleich aber definitionsgemäß nicht mitgeteilt werden kann, schlägt jede Selbstmitteilung in Einsamkeit um" (43). - Für den Russen hingegen ist die göttliche Sophia-Natur der reale Inhalt der ewigen innertrinitarischen Kommunikation der Liebe. Eine solche Kenose ist Mitteilung vollen, reichen Lebens (37f). Die Schöpfung ist frei geschenkte Anteilgabe an der göttlichen Natur, Kirche ist verdichtete Schöpfung (39f). - Ausgiebig werden aus beiden Ansätzen die logischen Konsequenzen gezogen. Ackermann (Kirche als Person, 283) macht aber aufmerksam, dass das Personverständnis von Balthasars nicht idealistisch, sondern theologisch sei: Ergreifen der von Gott je persönlich zugedachten Sendung. Von dem kleinen Werk "In Gottes Einsatz leben" her will Yves Tourenne OFM der Gestalt der Kirche näherkommen. Die einigende Mitte zwischen Kirche und Welt ist das Wort Gottes im Menschen Jesus, der "unvergleichlichen Gestalt der Gnade" (160). Wie das in die Erde gefallene Korn wird der Einsatz Gottes durch den Menschen verinnerlicht (165f) und im Einsatz für die Welt gelebt. Kirche ist die Einheit dieser Ein- und Ausfaltung (172). Für Angelo Scola (Rom) ist die adamitische Menschheit in Christus inkludiert. Durch die Vermittlung des "Leibes Christi", der Kirche, wird sie ihm einverleibt und so in den weitesten Raum von Freiheit eingewiesen, die frei übernommenen Sendungen zu leben. Die Möglichkeit der dazu analogen Verweigerung macht das Drama Weltgeschichte aus (vgl. 205, 199). Peter Henrici SJ (Zürich): Die krönende Kuppel der Trilogie, eine Ekklesiologie, fehlt zwar, ist aber allgegenwärtig. Von Balthasars Werk ist eine Art menschheitsumspannende Ekklesiologie des allgemeinen Heilswillens Gottes: Kirche ist Ausstrahlung Christi, Inkarnation und Kreuz die Vermählung Christi mit der ganzen Menschheit. Das Institutionelle ist das unwandelbare "Knochengerüst" für den lebenden Organismus: für dessen Teilnahme an der Sendung Christi in die Welt hinein (146). Die ekklesiologischen Fragmente von Balthasars machen, wie zu ersehen, viele Entwürfe möglich. Hallenleben gerät sogar mehrfach in Spannung wenn nicht Widerspruch zu den übrigen Autoren. Ist sie aber mit der "etwas düsteren Einsamkeit und Selbstverleugnung, die uns aus der v. Balthasar'schen Kirche entgegenweht" (48), so ganz im Unrecht?; Sie weiß, dass jede immanente Kritik wie das Flickwerk eines Hilfsarbeiters an dem genialen Entwurf eines begnadeten Künstlers wirkt (58).


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Personen: Balthasar, Hans Urs von

Standort: HB W I

Schlagwörter: Katholische Theologie Hans Urs von Balthasar Ekklesiologie

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"Wer ist die Kirche?" : die Referate am Symposion zum 10. Todestag von Hans Urs von Balthasar / herausgegeben von der Hans-Urs-von-Balthasar-Stiftung. - Einsiedeln-Freiburg : Johannes-Verlag, 1999. - 228 Seiten
Einheitssacht.: "Wer ist die Kirche?"
ISBN 978-3-89411-355-1 Broschur

Zugangsnummer: 2022/0918
Theologische Autoren - Buch