Rezension: Die Brüder Grimm haben im deutschen Sprachraum Märchen gesammelt und sie neu erzählt. Käthe Recheis macht dasselbe im indianischen Lebensraum. Nach einem Inkamärchen ("Kleine Schwarzpfote", 1999) erzählt sie jetzt eine Außenseitergeschichte nach Motiven der Pueblo-IndianerInnen. Wieder hat Christine Sormann dazu wundervolle Bilder gezeichnet und die Textseiten kunstvoll mit indianischen Motiven gestaltet. Der wilde Junge wird von den meisten Leuten für einen Nichtsnutz gehalten, weil er nie stillsitzen kann und immer umherfegt. Aber nur er hat den Mut, zum Geisterbären zu gehen, der die Erntewälder des Dorfes besetzt hält. "Ich bin gekommen, um mit dir zu reden", sagt er zu dem riesenhaften und ungeheuer starken Eindringling, womit er den Muskelprotz gehörig irritiert. Daraufhin verkleidet sich der Junge als Kobold, der das Monster mit Schabernack und Tempo verwirrt, ermüdet und zermürbt. Er ist aber großmütig genug, den Geisterbären nicht zu vertreiben, sondern bringt ihm das Teilen bei und schafft so Frieden. Die Bilder zeigen den Kampf zwischen David und Goliath in den Gelb- und Ockertönen der Mittagshitze. Im Kontrast dazu stehen einerseits die weißen Lehmziegelhäuser im Dorf, wo Friede herrscht, und andererseits die blau gekleidete Oma des wilden Jungen, die als Einzige auf ihn baut. Die reduzierten Formen unterstützen die klare Erzählweise, so dass Kinder nicht nur ihre Freude an dem pfiffigen Kerlchen haben (dessen offensichtliche Lebensfreude ansteckend wirkt), sondern auch leicht erkennen, dass der Geisterbär an seiner Angeberei, seinen sinnlosen Regeln und am Mut des wilden Jungen scheitert.
Personen: Recheis, Käthe Sormann, Christine
Standort: Schule
JD wil
¬Der¬ wilde Junge und der Geisterbär / Käthe Recheis. Ill von Christine Sormann. - Stuttgart : Thienemann, 2001. - [29] S. : durchg. Ill.
ISBN 978-3-522-43378-5 fest geb. : EUR 12,50
JD - Kinder- u. Jugendlit