äSpieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?æ, fragte die Königin und klimperte mit ihren Wimpern. éMeine liebe Frau Königinæ, sagte der Spiegel, édas kommt wohl drauf an. Wenn es nach dem Bauern Hubert geht, dann gibt es niemand Schöneren als seine Charlotte von Lünneborg, der Froschkönig dagegen schmilzt beim Anblick der feinen Hasendame, [...] Wenn Eure Hoheit allerdings meine persönliche Meinung hören wollen, muss ich gestehen: Für mich sind eindeutig und mit Abstand Sie, liebe Frau Königin, die absolut Wunderschönste im ganzen Königreich, um nicht zu sagen: eine Wucht!æ ô Die Idee ist nicht neu: Janosch, Paul Maar, Luigi Malerba, Yvan Pommaux, Marjaleena Lembcke, Antonie Schneider, Cornelia Funke, Mario Ramos und viele mehr haben ihre Leserinnen und Leser bereits mit dem einen oder anderen intertextuellen Spiel mit Märchen, deren Figuren und Motiven unterhalten. Mit lustvollen und frechen Märchenversionen reihen sich nun Michael Roher und Elisabeth Steinkellner mit äWer fürchtet sich vorm lila Lachsô in diese illustre Riege ein. Begleitet von Rohers witzig-kecken Strichzeichnungen fabulieren die beiden was das Zeug hält: Da begibt sich Elvis auf die Suche nach dem Glück, dort werden aus den sieben Geißlein sieben Greislein, die einen Altenpfleger suchen. Rotkäppchen und der böse Wolf sind urgute Freunde, bis dem Wolf eines Tages ein Stein im Magen liegt. An anderer Stelle wird ein nach seiner Weltumrundung sehr müder Riese zur Freizeitattraktion, ist Rapunzel kein Mädchen sondern ein Jüngling mit vollem Rauschebart, der sich in Hänsel verliebt, macht sich Prinz Horst mit einem ausgelatschten Gummistiefel anstelle des gläsernen Pantoffels auf Brautschau, proben die Märchenfiguren allesamt einen Aufstand. Auch wenn die Idee nicht neu ist - was Steinkellner und Roher uns hier auftischen, ist schlicht und ergreifend fabelhaft. Lachmuskeln wie detektivischer Spürsinn werden aufs Feinste gekitzelt, wenn es darum geht, die offenen und verdeckten Spuren, die das Künstlerpaar legt, zu finden und zu entschlüsseln. Die Komik und der Reiz der Geschichten liegen mitunter darin, das Bekannte im Neuen zu finden, in eben jener klug gesetzten Verquickung von modernen, mitunter provokanten Elementen sowie den tradierten Märchenmotiven. Das Gefühl eines Déjà-vus stellt sich auch beim zweiten Streich des Künstlerduos ein, der in diesem Frühjahr erschienen ist. äPapilios Weltô erinnert in seiner beinahe utopisch-idyllischen Weltsicht und im Ablauf an Rohers Bilderbuch äZu verschenkenô aus dem Jahr 2011. Mit dem feinen Unterschied jedoch, dass hier am Ende die Realität Einzug hält und das Träumen von einer besseren Welt den Kindern und Lesenden überlassen bleibt. Papilio schwebt, mit Fliegerkappe auf dem Kopf, Nickelbrille auf der Nase und Schmetterlingsflügeln auf dem Rücken, durch die Straßen und ermuntert die unterschiedlichsten Persönlichkeiten ihr/ihm zu folgen: die Frau mit den schweren Einkaufstaschen, den Mann mit dem Dackel, das Mädchen mit den Sommersprossen, die Seiltänzerin, den Polizisten, den Anzugträger und die Barfußgeherin. Sie alle schließen auf Papilios Aufforderung hin die Augen und träumen sich in eine perfekte Welt. Doch während die Erwachsenen die Vorstellung als verrückt, fiktiv, anarchisch, unsicher oder überflüssig abtun und gehen, bleibt das Mädchen mit den Sommersprossen am Ende bei Papilio und lässt es auf einen Versuch ankommen. Gleiches sollten die Lesenden tun und in die von erdigen Farben geprägte, kollagierte Bilderwelt von Roher abtauchen, in der alle Zeit haben, äihre Lieblingsbeschäftigung zu genießenô und frei sind, zu gehen äwohin ihr Herz sie führtô.
Personen: Steinkellner, Elisabeth Roher, Michael
Standort: Bibliothek
JD Ste
Steinkellner, Elisabeth:
Papilios Welt / Elisabeth Steinkellner ; Michael Roher. - Wien : Picus-Verl., 2013. - [13] Bl. : überw. Ill. (farb.) ; 28,5 cm
ISBN 978-3-85452-170-9 fest geb. : ca. EUR 14,90
JD - Kinder- u. Jugendlit