Dribbusch, Barbara
Schattwald Roman
Belletristik

Nord-, Süd- und Osttirol geben jährlich wie verrückt Geld aus, um Film-Projekte ins Land zu bringen, das Land scheint nämlich weltweit das Schlaraffenland für gebirgige Filmsequenzen zu sein. Im Kielwasser der Kameras treten immer öfter Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf, um einen meist unsäglich seichten Krimi in Tirol spielen zu lassen. Die Tourismusbranche quieckt vor Freude, denn Film und Krimi bringen Abermillionen sogenannter Nächtigungen ins Land nach dem Motto: Bei Dunkelheit nächtigen, bei Tageslicht Gebirge schauen! Barbara Dribbusch ist so eine Werbeautorin, die ihren Roman in Tirol spielen lässt. Wie die Dankesadressen am Buchende verraten, hat ihr die Agentin geraten, etwas mit Nazizeit, Psychiatrie und Tirol zu schreiben, offensichtlich ergibt das eine logische Assoziationskette. Als knalliger Titel muss "Schattwald" herhalten, diesen Ort gibt es zwar wirklich an der Grenze zwischen Außerfern und Allgäu, aber erst als psychiatrische Anstalt kann sich die Düsternis von Schattwald richtig entfalten, zumal das Horror-Sanatorium fiktiv im Ötztal angesiedelt ist. Die Geschichte läuft ab, wie sie bei Hunderttausenden von Leserinnen abläuft, die als Tirol-Kundinnen in Frage kommen. Die Ich-Erzählerin ist eine welterfahrene Wellness-Journalistin in Hamburg und muss zum Begräbnis ihrer Großmutter nach Innsbruck. Dort entdeckt sie Tagebücher, die vom unglücklichen Aufenthalt der Großmutter in Schattwald berichten. Die Story ist noch nicht ganz abgeschlossen, offensichtlich versuchen Überlebende der Nazizeit die Verbrechen zu vertuschen und die Geschichte schön zu reden. Die Erzählweise ist seltsam unrund, denn während die Erzählerin alles über Kleidung, Gerüche und männliche Gesichtszüge wahrnimmt, was offensichtlich ihr Geschäft beim Modemagazin ist, reicht es für Tirol nur zum Klischee. Also Innsbruck hat einen Flughafen, auf dem man wunderschön landen kann. Das Ötztal lässt sich auch in der Nazizeit mit dem Auto erreichen. Ins Kühtai fährt man, wenn man sich für einen Tag eine Schiausrüstung ausleihen will, auch wenn man nicht Schi fahren kann. Die Handlungsorte sind wahrscheinlich zusammengegoogelt, die Figuren aus dem Magazin, die Namen aus dem Märchentopf. So heißt der Bösewicht wirklich Rattler, eine lokale Bezeichnung für grobe Menschen. Letztlich erzählt der Roman massenhaft historisches Blabla und verhöhnt die verstorbene Großmutter, während diese auf ihr Begräbnis wartet. Schattwald ist ein Werberoman für schöne Landschaften und auch die Nazizeit lässt sich schön wie eine Landschaft erzählen. Von Einheimischen, Saisonarbeitern, Zugezogenen oder Asylwerbern keine Spur. Eine Leiche, ein Notar, ein Ungustl und ein Tagebuch, das muss genügen. Der Roman ist touristisch clean, dennoch würde niemand mit eigenem Kopf in so einem Ambiente leben oder gar nächtigen wollen. Helmuth Schönauer


Dieses Medium ist voraussichtlich bis zum 17.01.2025 ausgeliehen. Gerne können Sie es vormerken.

Personen: Dribbusch, Barbara

Standort: Bibliothek

DR.D Dri

Dribbusch, Barbara:
Schattwald : Roman / Barbara Dribbusch. - Originalausgabe, 1. Auflage. - München ; Berlin ; Zürich : Piper, 2016. - 365 Seiten. - (Piper; 30789)
ISBN 978-3-492-30789-5 kart. : ca. Eur 10,30

Zugangsnummer: 0017171001
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