Ein sehr empfehlenswertes Bilderbuch für Malbegeisterte, Pferdefreundinnen und kleine Krieger, die Pferdebücher sonst für "Weiberkram" halten. (ab 5) Zeitweise malen Kinder mit Sorgfalt und Geduld immer wieder das gleiche Motiv. Ob Hund oder Raumschiff - was wäre, wenn man das Objekt schließlich so echt zeichnet, dass es lebendig wird? Diese Phantasie ist so alt wie die Malerei. Der in Frankreich lebende Illustrator und Autor Chen Jianghong stellt sie in den Mittelpunkt seines neuen Bilderbuchs. Die mythische Geschichte des historisch verbürgten Seidenmalerei-Meisters Han Gan, dessen Pferdezeichnungen auf Betrachter viel lebendiger gewirkt haben sollen als alle leibhaftigen Rösser, hat Chen selbst auf Seide gemalt. Für ein Kinderbuch hört sich dieser Hintergrund auf Anhieb recht verkünstelt an, doch das Ergebnis beseitigt Zweifel schnell. Chen, erklärtermaßen kein Freund des Trends, den Zeichenstil von Kindern zu imitieren, ist mit "Han Gan und das Wunderpferd" ein altmeisterlich schönes, ungemein ökonomisch erzählendes Bilderbuch gelungen. Dieselbe souveräne Balance zwischen Kargheit im Ganzen und sorgfältiger Gestaltung von Details, welche die Wirkung altchinesischer Wandbehänge ausmacht, dominiert auch die Illustrationen in "Han Gan". Auf beigefarbenem Seidenuntergrund wird der Weg eines begabten Jungen entrollt, der mit Hingabe ganz erstaunliche Pferde zeichnet. Das bringt ihn im Laufe der Jahre bis an den Kaiserhof. Andere Farben als Brauntöne, lackrot und helles Türkis erscheinen im Buch lediglich auf der Palette von Han Gan, die ebenso wie überdimensionale Pinselbehälter, Papierrollen und anderes Werkzeug oft zu sehen ist: Malerei ist auch Handwerk, das soll man nicht vergessen. Bei weitem nicht alle zeichnerisch außergewöhnlichen Bilderbücher erzählen auch eine interessante Geschichte. Doch Chen tut dies hier. Aus dem Anliegen eines Kriegers, der in Han Gans stilles Atelier kommt, um ein magisches Schlachtross aus dem Pinsel des Meisters zu erbitten, entwickelt er eine kurze kontrastreiche Parabel über Leid und Verantwortung, in der glücklicherweise nicht der Krieg, sondern die Kunst das letzte Wort hat. Ein sehr empfehlenswertes Bilderbuch für Malbegeisterte, Pferdefreundinnen und kleine Krieger, die Pferdebücher sonst für "Weiberkram" halten.
Personen: Chen, Jianghong
Mut Chen
Chen, Jianghong:
Han Gan und das Wunderpferd / Chen Jianghong. - Frankfurt a. M. : Moritz, 2004. - 37 S. : durchg. Ill. (farb.) ; 32 x 25,5 cm. - Aus dem Franz. von Erika u. Karl A. Klewer
ISBN 978-3-89565-155-7 fest geb. : ca. € 17,30
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