Einmal jährlich verwandelt sich die marokkanische Königsstadt Meknes in ein orientalisches Feldlager. Der Turnierplatz direkt vor der Stadtmauer wird von großen Mannschaftszelten flankiert. Das sind schmucke Hallenzelte aus elfenbeinfarbener Leinwand - oder aus schwarzem Filz, nach Beduinenart. Rund zweitausend Schaulustige säumen den Platz. Zur großen Fantasia werden mehr als fünfhundert Reiter erwartet. In vollem Ornat ziehen die ersten auf ihren mit Gold und Pailletten geschmückten Pferden zum Start. Stolz tragen sie die weißen Dschelabas zur Schau, die turbanartigen Kopfbedeckungen und die langen Flinten mit den silbernen Beschlägen. Pferde und Reiter sind hochgradig nervös. Gleich wird der Startschuss fallen.
Auch der 56jährige Berber Lachsen Slimani ist besessen von den Reiterspielen. Er ist Anführer einer Fantasiagruppe und lebt mit seiner Familie auf einem abgelegenen Hochplateau im Mittleren Atlas. Lachsen ist stolz, weil auch sein 18jähriger Sohn Mohammed ein begeisterter Reiter ist und in die Fußstapfen seines Vaters treten will. Mit den Fantasias halten die Berber eine mehr als zweitausendjährige Kriegstradition aufrecht. Auf ähnliche Art zogen sie schon mit Hannibal zu Pferd über die Alpen und stürmten so den islamischen Invasoren entgegen.
Der Film führt mit eindrucksvollen Bildern in die Welt der Fantasias. Portraitiert wird das Leben der Berberfamilie Slimani, die zwei Pferde besitzt: ein Arbeitspferd und einen edlen Fantasia-Hengst. Er ist der ganze Stolz der Familie. Die meisten Bauern können sich nur ein Reitpferd leisten. Wenn überhaupt - denn in einem derart trockenen Land wie Marokko ist Grünfutter teuer. Der Unterhalt für ein Pferd entspricht dem einer ganzen Familie. Und doch wird das Pferd bei den Slimanis wie ein Familienmitglied betrachtet.
Mohammed will unbedingt mit seinem Vater auf einer Fantasia reiten. Dazu benötigt er ein eigenes Reittier. So verlangt es die Tradition. Lachsen will seinem Sohn diesen Traum erfüllen. Um das nötige Geld aufzutreiben, wagt er ein Abenteuer: er beschließt, zu einem Freund nach Quarzazate zu reisen. Quarzazate, auch Hollywood der Wüste genannt, zieht Marokkaner aus dem ganzen Land an. Sie hoffen, dort als Schauspieler entdeckt zu werden, oder doch zumindest einen Komparsenjob zu bekommen als reitender Bandit, Beduine oder Haremswächter.
Regisseurin Lisa Eder begleitet Lachsen mit ihrem Team auf dem Weg durch die Gebirgslandschaft des Mittleren Atlas bis an den Rand der Wüste. Nur dort kann es Lachsen gelingen, sich und seinem Sohn den Traum von einer gemeinsamen Fantasia in der Königsstadt Meknes zu erfüllen....
Film starten
Im Bann der Pferde: Marokko
Musik: Nils Kacirek; Produktion: Thomas Wartmann; Stimme: Christian Baumann; Kamera: Richard Ladkani; Sound Design: Tomas Bastian; Regie: Lisa Eder; Montage: Verena Schönauer; Drehbuch: Lisa Eder
Deutschland/Marokko 2009; Ab 6 Jahren; Sprachfassung: Deutsch; 1 Online-Ressource (43 min); Bild: 16:9 SD
filmfriend Video