Erpenbeck, Jenny
Gehen, ging, gegangen Roman
Buch

Selbst herausgefallen aus der Zeit, hilft ein Altphilologe Asylsuchenden dabei, sichtbar zu werden in der Gesellschaft. (DR) Jenny Erpenbecks neuer Roman greift wie wohl kein anderes der für den Deutschen Buchpreis 2015 nominierten Bücher ein derart aktuelles tagespolitisches Thema auf: Die für ihre leise Poesie bekannte Autorin wählt den Hungerstreik von Flüchtlingen vor dem Berliner Rathaus im Jahr 2014 als Ausgangspunkt für ihren gesellschaftskritischen Tatsachenroman. Der Universitätsprofessor Richard wird auf die Flüchtlinge, die am Oranienplatz campieren, aufmerksam. Selbst durch die Emeritierung aus einem geordneten Alltag gefallen, sucht er die Nähe der jungen Männer aus Afrika, die auf ihren Asylbescheid warten, und beginnt zu verstehen: "Mit Dublin II hat sich jedes europäische Land, das keine Mittelmeerküste besitzt, das Recht erkauft, den Flüchtlingen, die übers Mittelmeer kommen, nicht zuhören zu müssen." (S. 85) Richard aber hört zu. Immer wieder schieben sich Bilder aus seiner DDR-Vergangenheit in sein Bewusstsein, als er den Geschichten der Flüchtlinge lauscht, die von Krieg und Verfolgung, Gewalt und Leid geprägt sind. Er, der selbst einen Bruch in der Biografie erlebt hat, widmet seine im Übermaß vorhandene Zeit diesen jungen Männern, die teils über Nacht von ihrem alten Leben abgeschnitten wurden, die die Hoffnung auf einen Platz im Leben, zum Schlafen und Arbeiten in ein fremdes Land trieb. Menschen in Warteschleife, mit wenig Perspektive auf einen Neuanfang, denn die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. "Gehen, ging, gegangen" ist durchdrungen von philosophischen Gedanken und das Ergebnis eingehender Recherche. Zahlreiche Zitate und Verweise auf Literaten und Philosophen weisen Richard als Geistesmenschen aus, der letztlich in dem befruchtenden Miteinander auch ein Stück Selbsterkenntnis erfährt. Erpenbeck gestattet den Blick hinter die Türen eines Asylbewerberheimes, übt Kritik, macht wie Richard im Roman die Situation dieser Menschen, die meist alles verloren haben, sichtbar. Ein Buch, das einen vieles klarer sehen lässt. Öffentlichen Bibliotheken nachdrücklich empfohlen!


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Personen: Erpenbeck, Jenny

Erpenbeck, Jenny:
Gehen, ging, gegangen : Roman / Jenny Erpenbeck. - München : Knaus, 2015. - 351 S.
ISBN 978-3-8135-0370-8 fest geb. : 19,99

Zugangsnummer: 2016/0225 - Barcode: 2-1110019-3-00020304-3
Schöne Literatur - Signatur: Erpen - Buch