Viele Rezensenten lieben gute Bücher und gutes Essen: Wir freuen uns über leckere Grüße aus der Verlagsküche und träumen von Geschichten, die aufeinander aufbauen wie ein gut komponiertes Drei-Gänge-Menü. Mit Durchschnittskost tun wir uns oft schwer. Dabei kann auch eine Erbsensuppe lecker schmecken, wenn die Zutaten frisch und die Gewürze pikant sind … „Manege frei für die Piratenklasse“ ist eine Erbsensuppe. Sie macht satt, zufrieden – und danach Lust auf Neues jenseits des Tellerrands. Auf Augenhöhe mit der Zielgruppe erzählt Ulrike Schrimpf ihre Story von der Piratenklasse 2c, dem cholerischen Schulleiter, dem Erzieher mit liebenswertem Ami-Akzent und der verliebten Lehrerin Frau Tüpfel. Und segelt dabei stets an den Problemchen der typisierten Kinder im besten Grundschulalter entlang: Da ist die „zarte Seite-Lilly“ mit ewig zitternder Unterlippe und Angst vor Jedem und Allem; da ist die „starke Alex“, der man wegen ihres robusten Naturells manchmal ein bisschen zu viel zumutet oder der „weiß-alles-Gustav“, der seinem Job als intellektueller Troubleshooter nicht entkommt. Doch da gibt es auch das syrische Flüchtlingskind Fahed, von dessen Familie alle wissen, dass sie arm ist und schwere Zeiten hinter sich hat. Da blitzt tatsächlich der Ernst zwischen den ansonsten durchweg fröhlich-frechen Zeilen hervor. Das Unterrichtsprojekt, in dem die Klasse an einer Zirkusaufführung mitwirkt, zieht sich als roter Faden durchs Buch und zeigt solide Gruppendynamik: Gemeinschaft ist wichtig, Macken sind okay und die vermeintlich Schwachen sind manchmal die Stärksten. Doch oft genug plätschert die Geschichte auch einfach nur so vor sich hin, bis Frau Tüpfel sich am Ende ein bisschen bieder freuen darf: „Heute war die Piratenklasse eine richtige Zirkusklasse!“ Morgen wollen wir aber wieder was anderes als Erbsensuppe! Ausgerechnet Marlene ist die Erzählerin! Dabei ist sie weder so haudraufmutig wie die „starke Alex“, noch so altklug beredt wie „weiß-alles-Gustav“. Am liebsten wird sie übersehen, vielleicht auch, weil sie schlecht sieht und eine Augenklappe tragen muss. In ihrem Kopf „schwirren alle Wörter herum wie Kolibris“, wenn es ihr zu viel wird, schließt sie auch das gute Auge und stellt das Kopfkino an. Das passiert aber nicht oft, meist ist sie mitten drin in der 2c, Teil des Klassenkörpers, berichtet aus der Wir-Perspektive und erweist sich trotz ihrer „Schwachsichtigkeit“ als gute Beobachterin. Ulrike Schrimpf bedient sich in „Manege frei“ einer klassischen Erzählanordnung: die Schule ist Ausgangspunkt (und teils Handlungsort), die dort üblichen Rollen sind mit Typen besetzt – von der lieben, bisweilen überforderten Lehrerin über den unkonventionellen Erzieher bis zu den Kinderfiguren der 2c. Hier steht kein individuelles Schicksal im Mittelpunkt, vielmehr wird der Schulalltag komödiantisch zugespitzt. Dazu dient einerseits eine einfache Sprache, die in ihrer tonalen Eigenart (samt kleiner wiederkehrender Ungereimtheiten) der leicht naiven Figur gut entspricht und den LeserInnen sicher entgegenkommen wird. Zum anderen setzt die in Wien lebende Autorin Slapstick und Körperkomik ein. Beides ist durchaus am richtigen Platz, wird doch die Piratenklasse in den Zirkus geschickt, wo ein großer Teil der turbulenten Handlung wie in einer Nummernrevue abläuft. Es scheint, als ob Ulrike Schrimpf nach Zara, die in drei Folgen in Berlin durch die verwirrende frühe Pubertät getanzt ist, mit der Piratenklasse samt Lehrkörper eine neue Hauptfigur gefunden hat, die das Zeug zur Serie hat.
Altersempfehlung: ab 8 Jahren.
Medium erhältlich in:
38 KÖB St. Matthias,
Niederschelderhütte
Personen: Schrimpf, Ulrike
Schri
Schrimpf, Ulrike:
Manege frei für die Piratenklasse / Ulrike Schrimpf. Mit Bildern von Barbara Scholz. - 1. Aufl. - Hamburg : Aladin-Verl., 2018. - 207 S. : Ill.
ISBN 978-3-8489-2106-5
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