So traurig wie dieser mutet der Held eines Kinder- und Jugendbuchs selten an. Nicht genug, dass Albert von seinem Vater verlassen wurde, auch seine Mutter empfindet ihn nur als Last, derer sie sich so schnell wie möglich entledigen möchte. Wer in der Tristesse des heruntergekommenen Hochhauses, in dem Albert eher ohne als mit seiner Mutter und seinen fünf Schwestern lebt, Spuren von Hoffnung entdecken möchte wie die Palme auf dem Dach, die jedes Jahr ein Stück wächst, muss den gesellschaftskritischen Roman „Der Riese, der mit dem Regen kam“ des ehemaligen Sozialarbeiters Stefan Boonen und die Mini-Menschen, die in den monochromen Farbflächen des Illustrators Tom Schoonooghe schier untergehen, schon sehr genau unter die Lupe nehmen. Die knallharte Realität kontrastiert der Autor mit einer phantastischen Parallelwelt, der so genannten „Innenwelt“, in der Riesen leben wie jener, der zum Auftakt des Buchs einen Felsbrocken zur Seite schiebt und durch das Loch in die Außenwelt klettert. Doch ehe der Riese richtig ins Spiel kommt, breitet Boonen erst einmal einen Teppich aus enttäuschten Hoffnungen aus: Es ist nicht das erste Mal, dass Frau Urgel ihren Hund Moppel mit einem Fußtritt über das Geländer ihres Balkons im neunten Stock befördert. Es ist nicht das erste Mal, dass Alberts Mutter und seine fünf Schwestern aufgebrezelt die Wohnung verlassen, weil sie von einer Model-Karriere träumen. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass Kalindas Mutter einen Mann kennengelernt hat und mit ihm in eine andere Wohnung zieht. Dass die leiblichen Väter bei ihren Familien wohnen, erwartet hier sowieso niemand mehr. Dass aber eine Mutter ihren Sohn am liebsten in ein Heim abschieben würde, ist selbst für das Sommerhochhaus außergewöhnlich lieblos. Umso mehr freut sich Albert, als Kalinda einzieht und die Einsamkeit seiner Streifzüge durch das Hochhaus über Nacht in eine freundschaftliche Zweisamkeit verwandelt. Es ist genau jene Nacht, in der sowohl Albert als auch Kalinda von ihrem Fenster aus einen Riesen gesehen haben. Diese Vision hält auch dem hellen Tag stand, an dem die beiden Kinder vor der Bande des schnellen Dschi in den Wald fliehen und dort Pjiep treffen, den Riesen aus der Innenwelt. Als ein Sturm naht, rettet Pjiep die Hochhausbewohner vor dem Untergang in den Fluten. Der Verkauf und Abriss des Hauses lässt sich allerdings auch mit Riesenkräften nicht verhindern. Boonen mutet in seinem eindringlich erzählten Roman nicht nur seinen Figuren viel zu, sondern enttäuscht auch die Hoffnungen der Lesenden auf ein Happy End für alle. Und dennoch ist man sich fast sicher, dass Albert und Kalinda das Versprechen halten werden, das sie einander gegeben haben, bevor sie das abbruchreife Sommerhochhaus verlassen müssen. Denn ihre Freundschaft, die ist riesengroß.
Medium erhältlich in:
45 KÖB St. Johannes Nepomuk,
Remagen-Kripp
59 KÖB Herz Jesu,
Völklingen-Ludweiler
Personen: Boonen, Stefan Schoonooghe, Tom Kluitmann, Andrea
Leseror. Aufstellung: Kinderbücher
Boone
Boonen, Stefan:
Der Riese, der mit dem Regen kam / Stefan Boonen. Ill. von Tom Schoonooghe. Aus dem Niederländ. von Andrea Kluitmann. - Frankfurt am Main : FISCHER KJB, 2016. - 253 S. : Ill. - ab 8 Jahren
ISBN 978-3-7373-5178-2 Festeinband : 14,99 EUR
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