Tiwald, Katharina
Macbeth Melania Roman
Buch

Melania, Shakespeare und die SPÖ Katharina Tiwalds stürmischer Roman »Macbeth Melania« Im Zentrum dieses Romans steht ein Theaterprojekt, das Shakespeares Macbeth mit First Lady Melania als tragischer Figur ins Weiße Haus verlegt. Verantwortlich für die Produktion ist Mike Knutkovsky, ein deutscher Kommunikationsexperte, dem ein inkorrekter Annäherungsversuch an eine Praktikantin die Flucht nach Wien nahegelegt hat, wo er im Wahljahr 2017 über seine Tante bei der Wiener SPÖ einen Job mit einem sehr unklaren Aufgabenprofil ergattert hat. Seine weitgehend professionelle, jedenfalls nicht sexuelle Beziehung mit der für das Projekt vorgesehenen Autorin steht im Zentrum des Buches. In einem durchaus kreativen deutsch-österreichischen Dialog entsteht ein Stück, von dem wir Auszüge kennenlernen und dessen erfolgreiche Aufführung am Ende des Romans stattfindet. Zur Erarbeitung der Präsidentengattin als tragischer Figur gehört intensive Shakespeare-Lektüre in der Originalsprache, das ausführliche Studium der dramatis personae der Trump’schen Administration (mit Kellyanne Conway, Hope Hicks und Ivanka als projektierte Hexen) und ein Besuch in Melanias slowenischer Heimatstadt Sevnica, um der Vergangenheit der Heldin nachzuspüren. Nicht nur die Idee dieser aktuellen Überschreibung Shakespeares ist faszinierend, sondern auch die Durchführung, soweit sie in diesem Buch erkennbar wird. Zwar ist Melania hier durchaus verantwortlich für ihre Entscheidungen und damit auch für die unterstützende Rolle, die sie in der gemeinsamen Präsidentschaft spielt. Gleichzeitig wird sie jedoch zu einer tragischen Figur, deren Leiden und Rache ernstgenommen werden müssen, auch wenn ihre Motivation nicht immer klar ist. Die von der fiktionalen Autorin und von SPÖ-nahen Mitgliedern der »Kulturschickeria« wiederholt vorgetragene Erklärung, man müsse Verständnis für Melanias materielle Bedürfnisse haben, denn immerhin käme sie aus Jugoslawien, scheint allerdings mehr österreichischen Stereotypen geschuldet (»Wir verzeihen Ostblöcklern eher, dass sie auf Gold stehen«). Denn die 1970 geborene Absolventin einer Schule für Fotografie und Gestaltung und kurzzeitige Architekturstudentin kam nicht aus einem darbenden Entwicklungsland hinter dem Eisernen Vorhang. Überhaupt ist die dramatische Erforschung der Präsidentschaft Trumps nur ein Teil des Dramaprojekts, was mit dem hinter dem Titel versteckten Hauptthema des Buches zu tun hat, nämlich der österreichischen Politik in der Zeit der Machtübernahme von Sebastian Kurz, im Roman »Bubi« oder »Slimfit« genannt. Die Macbeth-Thematik verschränkt sich nämlich bald intensiv mit der österreichischen Politik, auch Slimfit wird zum Macbeth. Das macht sein Opfer, Reinhold Mitterlehner, zum ermordeten König Duncan. (Mitterlehner kommt in dem Buch verdientermaßen mehrmals sehr gut weg, u. a. ist er auch eine von mehreren Personen, denen das Buch gewidmet ist.) Das Buch ist ein postmoderner roman à clef mit der österreichischen Politik als Hintergrund. Wiewohl seit der Zeit der Handlung kaum vier Jahre vergangen sind, kommt es einem nach den Ibiza-Erschütterungen und einem Jahr Covid wie eine Ewigkeit vor. Das Spiel mit der sogenannten politischen Wirklichkeit des Landes (also der, die durch Massenmedien und Internet erzeugt wird) wird noch verkompliziert durch die Tatsache, dass die Autorin als Romanfigur den gleichen Namen wie die Autorin der Titelseite trägt. Katharina Tiwald erlaubt sich mit ihrer Protagonistin »Die Tiwald« ein manchmal heiteres, meist ironisierendes Versteckspiel, bei dem die gemeinsame Herkunft aus dem Burgenland keine unbedeutende Rolle spielt. Allerdings sind die Kongruenzen zwischen biografisch (etwa durch Interviews) fassbarer Autorin und Romanfigur so groß, dass der für Schlüsselromane notwendige verfremdende Schlüssel nicht so ganz passt. Die narrative Strategie (die ›reale‹ Autorin verweist hin und wieder auf Spaß und Unterhaltung der Leserin und des Lesers) scheint nicht ganz aufzugehen, insbesondere weil völlig im Dunkeln bleibt, wem die hin und wieder höchst moralisch klingende, völlig anonyme Erzählstimme gehört (»es gibt ideale Stadtbewohner, die zu Flurreinigungsaktionen ausrücken und in Obdachlosenheimen kochen und in Kinderheimen Kotze aufwischen«). Ein viel größeres Problem wird vom deutschen Entwicklungshelfer Mike Knutkovsky ganz am Ende angesprochen: »Du weißt schon, dass das ein extrem kurzlebiges Stück sein wird?« Angesichts des langfristigen Schadens, den die Trumps ihrem Land und der Welt insgesamt zugefügt haben, und angesichts ihrer zukünftigen Pläne, die in die nächste Generation reichen, erscheint mir diese Gefahr relativ gering. Die Frage, die sich viel dringlicher stellt, ist, ob dieses Buch ohne Kenntnis des österreichischen politischen Hintergrundes von 2017 funktioniert. Kann der Roman auch außerhalb der politischen Konstellation, auf die er sich auf jeder Seite bezieht, bestehen? In der Interview-Reihe »Ausnahmegespräche« des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels verrät uns die ›reale‹ Autorin, dass sie tatsächlich ein Melania-Trump-Drama geplant hatte, dessen Integration in einen Roman jedoch für sie ›ökonomischer‹ war. Vielleicht darf man sich von ihr angesichts der vielversprechenden Ansätze, die das Buch bietet, die volle Ausführung des dramatischen Designs im Sinne des Titels wünschen.


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12 KÖB St. Martin, Fell

Personen: Tiwald, Katharina

Tiwal

Tiwald, Katharina [Verfasser]:
Macbeth Melania : Roman / Katharina Tiwald. - Wien : Milena, 2020. - 143 Seiten
ISBN 978-3-903184-48-0 Festeinband

Zugangsnummer: 2024/0321 - Barcode: 2-1250117-3-00000349-0
Schöne Literatur - Buch