Jo ist schnell, hartnäckig und ambitioniert. Sie liebt den Fußball mit Leib und Seele, genießt das Spiel und zelebriert den Sieg. Ihrem neuen Trainer Jurek fällt ihr Talent sofort auf; er lobt ihr Tempo, ihr „Zweikampfverhalten“ und ihre „Spielideen“. Nur an „Schusskraft“ mangelt es der 13-Jährigen. Lieber als im Angriff lässt sich Jo darum als Verteidigerin aufstellen, denn da „hatte man schon Erfolg, wenn man etwas verhinderte, und die Chance, Fehler zu machen, war geringer“. Erst nach vielen leidvollen Erfahrungen aber benennt die ansonsten fast quälend selbstkritische Ich-Erzählerin die Quelle ihrer lähmenden Furcht, „dass mich bei einem verunglückten Torschuss alle für größenwahnsinnig hielten: Ein Mädchen wagte es, auf ein von Jungen bewachtes Tor zu schießen!“ „Der Himmel über dem Platz“ ist nach „Königin des Sprungturms“ Martina Wildners zweiter Jugendroman über das Aufwachsen in der Welt des Leistungssports. Anders als die Kunstspringerin Nadja, die erkunden muss, was ihr der Sport tatsächlich bedeutet, hat Jo ihre Bestimmung aber längst gefunden, und es gehört mit zu den größten Stärken dieses auch psychologisch bestechenden Romans, dass er seine Hauptfigur und Ich-Erzählerin in jedem Augenblick sowohl als Teenager als auch als Profi konturiert. Der Fußball ist nicht bloß „Lebensschule“, wie Jos Schulfreundin Becky altklug bemerkt; er IST Jos Leben, ist untrennbar mit ihrer Identität verknüpft. Jos Problem dagegen lässt sich unschwer als strukturelles erkennen: Auch wenn Fußballerinnen inzwischen zum Grundrepertoire der Kinder- und Jugendliteratur gehören (und dort nicht selten schon Klischee sind), haben sie in dieser nach wie vor männlich dominierten Arena weit schlechtere Karten. Groß geworden in einer starken Mädchenmannschaft, wechselt Jo zu Erzählbeginn in eine Jungenmannschaft, weil ihr von Vater, Verband und DFB ansonsten keine Chancen auf eine Profikarriere eingeräumt werden. Der männlich-homosoziale Raum von Blau-Weiß wiederum verschließt sich ihr zunächst vehement. Jo wird von den Jungs ignoriert, gehänselt, von einem Mitspieler gar regelrecht gemobbt, und auch in den Einwänden eines Vaters gegen diese Störung der vermeintlich ›natürlichen‹ Ordnung zeigt sich der Fußball als eine Welt, in der hegemoniale Männlichkeit mit ihren – auch misogynen und rassistischen – Strategien der Ab- und Ausgrenzung eingeübt und verteidigt wird. Obwohl sich an dieser im Roman durchaus harsch kritisierten Struktur bis zum Schluss wenig ändert, entfaltet der Roman eine ungeheure Kraft in seinem Porträt einer jungen Frau, die lernt, sich im Rahmen des Machbaren ihren Raum zu nehmen. Wildner evoziert Jos Reifung atmosphärisch wie topografisch raffiniert anhand ihrer zunehmend selbstbestimmten Bewegung in verschiedenen, auch geschlechtlich codierten Räumen. Einen Raum des Dazwischen stellt dabei die Schiedsrichterkabine dar, in der sich Jo alleine umziehen muss. Hier ist sie zwar von der Kameradschaft der Jungen isoliert, findet aber den Dialog mit einer Schiedsrichterin, die wie sie zwischen den Welten pendelt, die gerne Mädchenspiele leitet, aber darauf brennt, Bundesliga-Spiele der Männer zu pfeifen. Jo entdeckt im Lauf dieses heißen Sommers, dass sie stark genug dafür ist, nicht nur bei den Jungen mit-, sondern ihr eigenes Spiel zu spielen – dass sie aber gerade dafür ganz wesentlich auf ein Team angewiesen ist. Das stellt ihr Wildner in Gestalt einer Reihe wunderbar ge- und manchmal liebevoll überzeichneter Nebenfiguren auf und neben dem Platz zur Seite.
Medium erhältlich in:
57 Die Bücherei St. Peter,
Trier
Personen: Wildner, Martina
Wildn
Wildner, Martina:
¬Der¬ Himmel über dem Platz / Martina Wildner. - Weinheim : Beltz & Gelberg, 2021. - 219 S.
ISBN 978-3-407-75848-4 fest geb. : ca. € 14,40
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