Léon, Christophe
Väterland
Buch

Es ist ein kleiner Band, den Christophe Léon mit "Väterland" vorlegt, aber ein Text, der es in sich hat und aufrüttelt. Die 12-jährige Gabrielle wurde als Baby von Phil und George adoptiert. Mit den verheirateten Männern, beide erfolgreiche Künstler, verbringt sie eine glückliche Kindheit in einer Familie, in der Liebe zu- und Respekt voreinander groß geschrieben werden. Inzwischen aber hat sich die gesellschaftspolitische Situation in Frankreich massiv verändert: die Rechte homosexueller Eheleute sind massiv eingeschränkt, sie müssen eine rosafarbene Raute am Revers tragen, wurden in ein Ghetto am Stadtrand gezwungen, mit Arbeitsverbot belegt, ihre Kinder dürfen nicht mehr zur Schule. Das ist der Ausgangpunkt von Christoph Léons parabelhafter Erzählung, in die er mit einem Knall einsteigt: Als die beiden Väter sich ohne den erforderlichen Passierschein auf den Weg in die Pariser Innenstadt machen, um ein Geburtstagsgeschenk für Gabrielle zu finden, werden sie in einen Unfall verwickelt. In der Folge wird abwechselnd aus zwei Perspektiven berichtet. Der eine Erzählstrang zeigt die beiden Männer auf der Flucht Richtung Ghetto zu ihrer Tochter, sie werden beschimpft, bedroht, verfolgt. Im anderen wird aus der Perspektive Gabrielles erzählt, die sich zuhause verbarrikadiert hat vor unbekannten Menschen, die sie abholen wollen. In diesem Rahmen erzählt sie rückblickend über die Veränderung der Gesellschaft. Immer wieder ertappe ich mich während des Lesen beim Gedanken, wie überzeichnet manches scheint, etwa die Kennzeichnungspflicht für Homosexuelle, um eine Sekunde später zu realisieren, dass die hier beschriebenen Mechanismen und Methoden der Diskriminierung und Verfolgung vor noch nicht langer Zeit Wirklichkeit waren. Und dass der Hass mancher Menschen gegenüber jenen, die in irgendeiner Form anders sind als sie, gegenwärtig erschreckend deutlich spürbar ist. Ausländerfeindlichkeit, Intoleranz, primitive, angstgetriebene Vorstellungen von einer angeblich einzig richtigen Lebensart, all das sehen, hören, erleben wir gegenwärtig in verschiedenen Ländern Europas und weltweit. Schockierend ist - im fiktiven "Väterland" wie in realen Vaterländern - wie umstandslos und schnell Menschen zu Mitläufern, Denunzianten und Tätern werden können. Es kann nicht genug literarische Lehrstücke wie dieses und Menschen wie Christophe Léon geben, die uns immer wieder daran erinnern, wogegen und wofür wir kämpfen müssen, um nicht unterzugehen. (Der Verlag bietet auf seiner Homepage "mixtvision.de" umfangreiche Unterrichtsmaterialien zu "Väterland" zum Download an.)

Altersempfehlung: ab 14 Jahren.


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Léon, Christophe

Schlagwörter: Familie Eltern Diskriminierung Homosexuelles Paar Dystopie Intoleranz Normen Heiß auf Lesen 2019/Erwachsene

Interessenkreis: Für junge Erwachsene

Léon, Christophe:
Väterland / Christophe Léon. Aus dem Franz. von Rosemarie Griebel-Kruip. - München : mixtvision, 2017. - 114 S.
Einheitssacht.: Embardée
ISBN 978-3-95854-095-8 : EUR 9,9

Zugangsnummer: 2017/1032 - Barcode: 00715969
Erzählungen ab 13 Jahre - Signatur: Ju3 Léo - Buch