Man sieht es überall und versteht es doch nicht so richtig. Eine anonyme Parallelwelt im Verborgenen, nicht demokratisch, aber oft ein Zeichen für ein demokratisches Land: Graffiti - die vandalischen Bilder auf Zügen und Wänden. Als Krisenphänomen einer Jugendgeneration geboren, als Abenteuerspiel verbreitet und als Kunstgattung entpuppt: Die Graffiti-Bewegung bleibt eine nicht-institutionalisierte Brutstätte für künstlerische Entwicklungen und Inspirationen des ästhetischen Ungehorsams.
Dieser Themenband wirft einen Blick auf ihre innovativen Positionen und Akteure heute: In der abgeschotteten, obsessiven Eigensinnigkeit der Produktion um Produktionswillen lassen sich künstlerische Werke finden, deren vandalischer Moment auch in der Störung einer konformen Massenästhetik liegt. Es wird Zeit, dass sich die Kunstwelt intensiver mit den Bildern und Performances dieser Parallelwelt beschäftigt. Graffiti ist nicht nur ein Genre der bildenden Kunst und Inspiration für institutionalisierte Künstler, sondern auch eine kultur-soziologische Praxis zur dramaturgischen Stadtbespielung. Die freiere Graffiti-Malerei verkörpert die zeitgenössische Antwort auf die "L'art pour l'art"-Autonomie. Fest steht: Die Ästhetik des Ungehorsams gehört zu einer gesunden Gesellschaft und Kulturwelt dazu.
Weiterführende Informationen
LA 1000 Kufo 260
Kunstforum international - Band 260 : Graffiti NOW: Ästhetik des Illegalen / hrsg. von Christian Fricke und Jürgen Raap. - Ruppichteroth : Kunstforum, 2019. - 334 Seiten : Illustrationen. - (Kunstforum international). - Band 260; Mai-Juni 2019
ISSN 0177-3674
Ethnologie: Zeitschriften - Zeitschriftenheft