Einen Moment zu viel allein, eine Minute zu lange nicht dazu gehört, einen Abend zu viel die volle Aufmerksamkeit vermisst. Sucht ist ein Prozess, und weil sie das ist, beginnt sie sich früh und unbemerkt zu entwickeln bis eines Tages eine Kleinigkeit das Fass zum Überlaufen bringt. Es geschieht so verblüffend nebensächlich, es wirkt so unspektakulär, wie Christiane F. von einer schüchternen Dreizehnjährigen, die in einem Neubauviertel wohnt, zu einer Heroinabhängigen wird, die am Bahnhof Zoo auf dem Babystrich landet.
Gerade das ist Regisseur Uli Edel (Letzte Ausfahrt Brooklyn, 1988, Rasputin, 1996) gelungen: in den Feinheiten darzustellen, wie unsichtbar die Falle der Abhängigkeit lauert und wie gnadenlos sie bereits in dem Moment zuschnappt, wo der Betroffene beim ersten "nur einmal probieren" noch die Kontrolle zu haben glaubt. Er hat genau die Eckpfeiler heraus gearbeitet, die das Überlaufen verursachen: Umzug in eine große Stadt, Auszug der Schwester, eine mit ihrer Arbeit und ihrem Freund beschäftigte Mutter, keine richtigen Freunde und diese kleinen Augenblicke, in denen das Leben immer wieder abbiegt -- in die falsche Richtung. Der Film konzentriert sich auf den Weg in die Abhängigkeit. Pädagogische Reaktionen der Eltern fallen raus.
Natja Brunkhorst, die sich als Christiane F. im Handumdrehen vom hübschen Teenager in ein verlebtes Wrack verwandeln muss, erbringt schauspielerisch hervorragende Leistungen. Sie ist auch die Einzige der Darsteller, die später in weiteren Kinofilmen zu sehen ist (z.B. in der Milieustudie Tiger, Löwe. Panther oder in Hörigkeit des Herzens). Das Drehbuch zur Buchvorlage, für die Kai Hermann und Horst Rieck viele Tonbandaufnahmen mit der berühmtesten Fixerin Deutschlands auswerteten, schrieb Hermann Weigel (auch Drehbuchschreiber von Die unendliche Geschichte und Produzent von Ballermann 6). Star-Mitwirkender ist David Bowie, mit dem extra für den Film Konzertaufnahmen gemacht wurden.
Ein gelungener Streifen, der sagt, was er sagen soll, sagen will und sagen muss. --Daphne von Unruh
Freigegeben ab 16 Jahren.
Personen: Edel, Uli Brunckhorst, Natja Haustein, Thomas Kuphal, Jens Wölk, Reiner
Edel, Uli:
Christiane F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo : wir Kinder vom Bahnhof Zoo / Uli Edel. - Ismaning : Package Design Euro Video, 2012. - ca. 125 Min. ; Inventur. - FSK ab 16
9.99 EUR
R - Signatur: R Ede - DVD