JELNJA - STADT DES RUHMS erzählt die Geschichte der Schülerin Mascha, ihrer Mutter Svetlana und des Hobby-Ausgräbers Sergej im westrussischen Städtchen Jelnja nach Beginn der dritten Amtszeit von Wladimir Putin im Jahr 2012. Der Film dokumentiert, wie das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg für eine Militarisierung der russischen Gesellschaft in Dienst genommen wird.
Die alleinerziehende Mutter Svetlana empfindet die russische Armee als eine Art Familie. In den Wirren des Zusammenbruchs der Sowjetunion fand sie hier Halt und ein festes Einkommen.
Jetzt hofft die glühende Verehrerin von Wladimir Putin, dass auch ihre Tochter Mascha sich für eine Laufbahn beim Militär entscheidet. Sie ermuntert die 16jährige zu paramilitärischen Übungen und zur Darbietung von Soldatenliedern. Als leuchtendes Vorbild für die Kleinsten trägt Mascha selbst verfasste Gedichte über Heldenmut und Vaterlandsverteidigung vor Kindergartenkindern vor.
Jelnja hat eine besondere Bedeutung in der russischen Erinnerungskultur: Hier fand die erste erfolgreiche Gegenoffensive der Roten Armee gegen Hitlers Truppen im Zweiten Weltkrieg statt - kostete aber zehntausende Soldaten das Leben. Auch nach der Schlacht am Kursker Bogen des Jahres 1943 spielte sie eine Rolle.
Viele der Gefallenen von Jelnja wurden nie geborgen. Sergej, ein Mann im besten Alter, gräbt auch 70 Jahre nach Kriegsende in den Feldern und Wäldern der Gegend immer wieder menschliche Gebeine aus. Jedes Jahr zum Tag des Sieges am 9. Mai werden sie in feierlicher Prozession durch Jelnja getragen und bestattet. Im Rahmen der Parade werden auch Neumitglieder der russischen Jugendarmee vereidigt.
Anders als die weitaus meisten seiner Mitmenschen zweifelt Sergej, wenn staatliche Redner verkünden, der Westen bedrohe Russland im 21. Jahrhundert schlimmer als weiland die deutschen Nationalsozialisten.
ÜBER JELNJA
Jelnja liegt rund 100 Kilometer westlich der russisch-belarusischen Grenze in der Oblast Smolensk und ist wirtschaftlich in schlechter Verfassung. Viele der rund 10.000 Einwohner*innen sind arbeitslos; für junge Leute gibt es kaum Perspektiven. Längst haben die Fabriken dichtgemacht, die zu Sowjetzeiten viele Menschen in Lohn und Brot hielten.
Der Film über die STADT DES RUHMS wurde 2020 veröffentlicht. Kaum zwei Jahre später, am Vorabend des russischen Großangriffs auf die Ukraine, diente die Militärbasis von Jelnja als Sammlungspunkt für Truppen und Militärgerät. Satellitenbilder zeigten ein kontinuierlichen Anwachsen des Stützpunktes - und seine abrupte Leerung kurz vor dem 22. Februar 2022.
ÜBER DEN REGISSEUR:
Dmitry Boguljubov kennt Jelnja seit Kindertagen. Er beschreibt seine Motivation für die Arbeit an diesem Film so: "Mit dem Aufstieg totalitärer Denkweisen der Menschen in Russland und vor dem Hintergrund der immer schlechter werdenden Beziehungen zwischen Russland und dem Westen wollen wir die Botschaft senden, dass die einfachen Menschen in erster Linie Opfer von Kriegspropaganda sind. Dies führt nur zu militärischen Konflikten, Leid und Tod - unabhängig von Ländern und Nationalitäten.“
Nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine leben weder der Regisseur noch der russische Produzent des Films noch in Russland.
HISTORISCHER HINTERGRUND:
Die Jelnja-Offensive der Roten Armee
Östlich von Jelnja hatte die deutsche Wehrmacht im August 1941 einen bogenförmigen Frontvorsprung erobert, den sogenannten Jelnja-Bogen. Weil er für einen möglichen Vorstoß in Richtung Moskau bedeutsam war, wurde um diesen Frontabschnitt besonders erbittert gekämpft. Am Ende gelang es der Roten Armee, die Wehrmacht bei ihrem Vormarsch 1941 zeitweilig zurückzudrängen.
Nach einer Serie verheerender Niederlagen der Roten Armee nach dem Bruch des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes und dem Angriff von Hitlers Wehrmacht auf die Sowjetunion ab Juni 1941 war die Jelnja-Offensive mehr als zwei Monate nach dem Überfall die erste erfolgreiche Abwehroperation der Roten Armee. Die von General Georgi Shukow angeordnete Aktion war von hoher Symbolkraft für sowjetische Armee.
1943 spielte Jelnja eine Schlüsselrolle bei der Gegenoffensive der Roten Armee infolge der Schlacht am Kursker Bogen. Mit der am 30. August erzwungenen Räumung der Stadt von deutschen Truppen begann deren großangelegter Rückzug an diesem Frontabschnitt.
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Jelnja - Stadt des Ruhms
Regie: Dmitry Bogolyubov; Produktion: Vít Klusák, Simone Baumann, Filip Remunda, Vlad Ketkovich, Dmitry Bogolyubov; Montage: Phil Jandaly; Stimme: Dmitry Bogolyubov; Sound Design: Jan Čeněk; Drehbuch: Dmitry Bogolyubov
Deutschland/Russland/Tschechien 2019; Ab 14 Jahren; Sprachfassung: Deutsch; 1 Online-Ressource (88 min); Bild: 16:9 HD
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