Knecht, Doris
Besser Roman
Belletristik

Frau mit Vergangenheit Doris Knechts Roman "Besser" Ja, es gibt sie, diese immens bedeutsam erscheinenden Probleme, die besserverdienende, gern in Metropolen lebende Menschen - mancherorts gern "Bobos" genannt - am liebsten in kleiner Runde mit Gleichgesinnten bei Lammbraten und schwerem Rotwein erörtern. Wo man früher über das Waldsterben, den Krieg auf dem Balkan, den Rechtspopulismus oder die Sicherheit von Atomkraftwerken debattierte, macht sich inzwischen ein gehobener Mittelstandsdiskurs breit, der so tut, als hinge das Wohl der Menschheit davon ab, auf welche Schule man seine lieben, oft etwas hyperaktiven Kinder schickt, wie man diese vom Verzehr gesunden, natürlich biodynamisch produzierten Gemüses überzeugt und ob Süßigkeiten in Jausenboxen tabu sind. Doris Knecht, die hoch aktive Kolumnistin, kennt alle diese Wohlstandswehwehchen, und da sie diese in ihren journalistischen Texten so oft aufgreift, erliegt sie quasi zwangsläufig der Versuchung, auch ihre Romane damit anzureichern. "Besser", Knechts Zweitling, führt, so scheint es zumindest, ein Abziehbild jener Vorzeige­familien vor, die über den Kauf von Ferienhäusern und die Notwendigkeit vegetarischer Ernährung nachzusinnen. Adam und Antonia Pollak leben mit ihren Kindern Elena und Juri in guter Wiener Gegend. Er hat eine Vorliebe für schnelle Automobile und schwelgt in Bob-Dylan-Erinnerungen, wohingegen seine Gemahlin, die Ich-Erzählerin des Romans, sich mal besser, mal schlechter um den Nachwuchs kümmert und im für sie bereitgestellten Atelier mit Papiermaché-Objekten den künstlerischen Durchbruch anstrebt. Doch was so harmonisch und problemlos sein könnte, erweist sich - der Leser ist nicht überrascht - schnell als trügerische Idylle. Denn Antonia ist eine Frau mit "Vergangenheit", die tiefen Hass für ihre Mutter empfindet, sich einst Heroin spritzte und vor zehn Jahren einen schweren Zusammenbruch erlitt. Die Heirat mit dem "ku­gel­­sicheren" Adam, einem "normalen, gutsituierten Mann", bewahrte sie vor dem Untergang. Von Antonias düsterer Vorgeschichte weiß er nichts, doch so sehr sich Antonia bemüht, diese abzuschütteln, so wenig vermag sie sich selbst davon zu überzeugen, zu denen zu gehören, die als Weinconnaisseure brillieren und ihre Kindermädchen zu Abendeinladungen mitbringen. Antonia bewegt sich auf unsicherem Boden. Die Fremdheit gegenüber der bestens eingerichteten bürgerlichen Saturiertheit verliert sie nie - ein Zustand, der nicht dadurch besser wird, dass sie sich auf eine Affäre mit einem Reporter in Lederjacke einlässt und einem Taxifahrer begegnet, der um ihr Vorleben weiß. Doris Knechts Roman "Besser" ist der Roman einer Gesellschaftsschicht, die den Besuch von Vernissagen, das Traktieren von Smartphones und Kurzzeitaffären für erfüllend hält. Frech, salopp und oft mit gewitzten Dialogen reiht die Autorin ihre samt und sonders matten Protagonisten wie an einer Perlenschnur auf, lässt sie Kaffee trinken, beim Sex an Wildschweinsalami denken, palavern und räsonieren - was man zumindest am Anfang mit einigem Amüsement liest. Die fragile Antonia mit einer Außenseiterrolle auszustatten ist ein gut gewählter Erzählkniff, der es erlaubt, die Hohlheit ihres Milieus auszuleuchten. Die von Unglücksfällen - etwa als Sohn Juri um ein Haar ertrinkt - angezogene Antonia fragt sich, was in ihrem Leben "besser" laufen könnte. Und sie ahnt, dass jede Veränderung Gefahren in sich birgt: "Und immer, immer stoße ich an dieser Stelle frontal an den immer gleichen Punkt, an dem Punkt, an dem ich bin und war und bleiben werde. Dass ich mich schon entschieden habe; dass es nichts mehr zu entscheiden gibt und nichts zu verbessern. Weil der Versuch, es besser zu machen, alles ruinieren würde. Alle wollen immer, dass sich was ändert, dass es besser wird. Ich nicht." So anschaulich der Roman diese Zerrissenheit macht, so schwer lassen sich seine Längen leugnen. Das Schwul- oder Nicht-schwul-Sein des Freundes Moritz, die Schwangerschaft- oder Nicht-Schwangerschaft der Freundin Jenny, die moralinsauren Vorwürfe der Schwester Astrid, die Antonia keine Affären gönnt - all das walzt der Roman in einer Breite aus, die man nur ertragen würde, wenn der Stil nicht so konsequent auf Schmucklosigkeit setzen würde. Von Poesie möchte man ohnehin nicht sprechen. So rettet sich der Roman in einen dramaturgischen Knalleffekt, der für Antonia ein "Weckruf" sein soll: Hausmeister Mirkan ersticht seine Frau mit dem Küchenmesser; ihr Kind Adile bleibt zurück, und Adam und Antonia machen sich Vorwürfe, weil sie von Mirkans Gewaltpotenzial nichts ahnten. Das mag man glaubhaft finden oder an den Haaren herbeigezogen. Besser wird der Roman dadurch nicht. *Literatur und Kritik* Rainer Moritz


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Personen: Knecht, Doris

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Knecht, Doris:
Besser : Roman / Doris Knecht. - Berlin : Rowohlt Berlin, 2013. - 284 S.
ISBN 978-3-87134-740-5 fest geb. : ca. Eur 20,60

Zugangsnummer: 0022510001 - Barcode: 6104227213
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