(ab 14) Rezension: Was passiert, wenn man als Schwächling und feinmotorische Niete in eine Familie von Zirkusartisten hineingeboren wird? Man zieht nicht mit ihr in der Welt herum, sondern bleibt mitsamt seinen zwei linken Händen bei der Oma in Afterheim und wird zur Lachnummer der Kleinstadt. Daran ist der Ich-Erzähler Bejb mittlerweile ziemlich gewöhnt. Er ist der Clown, der Trostpreisträger. Dass er gegen dieses Image ankämpfen will und zu jonglieren beginnt, erzählt er nicht einmal seiner engsten - und einzigen - Sandkastenfreundin Kathrin. Doch dann ziehen sie um, nach Mönchhausen, was für seine Großmutter und ihn bereits die Großstadt ist, in eine Stadtrandsiedlung, die bezeichnenderweise "Neuleben" heißt. Und dort fängt für den inzwischen 16-jährigen Bejb tatsächlich ein neues Leben an. Von einem Tag auf den anderen findet er sich in einer Klasse voller Typen wieder, die mit trotziger Eigenwilligkeit ihre unterschiedlichen Überzeugungen leben. Das Sagen haben die Hip-Hopper, allen voran Apfelhaller, der Bejb unter seine Fittiche nimmt und ihn in die Welt des Hip-Hop einführt. Bejb gehört plötzlich dazu, obwohl er immer noch von einer Peinlichkeit in die andere stolpert. Der Unterschied ist nur, dass er nicht mehr der Freak und Außenseiter ist. Dass jetzt auch mal etwas daneben gehen darf. Vor diesem Hintergrund kann Bejb dann auch beim Jonglieren seine persönliche Sternstunde erleben und entdecken, dass er ein begnadeter Rapper ist. Und ganz am Ende sogar seine große Liebe Kathrin finden. Da hat sich einer seine Liebe zum Hip-Hop und zur Jugend aus dem Leib geschrieben, der nicht über die Szene, sondern aus der Szene erzählt: Der 1956 in Prag geborene, seit über zwanzig Jahren in Deutschland lebende Jaromir Konecny ist eine der schillerndsten Figuren des deutschen Poetry Slams. Er hat diese Liebeserklärung in eine sehr komische, sehr locker erzählte Geschichte verpackt, in der es nicht zentral um zeitgenössische Populärkultur geht, sondern um das Erwachsenwerden und Freundschaft, um Liebe und Angst, um die Sehnsucht danach, etwas Besonderes zu sein, "sein Zeichen zu setzen". Das Buch ist ein Manifest für die Kreativität, dafür, auch unter den unmöglichsten Umständen seine Möglichkeiten zu finden und zu leben. Ohne großen Aufwand, aber auch ohne Pause liest man sich mit viel Amüsement durch ein gelassen selbstironisches Buch, durch Weltanschauungen und Spoken Word Poetry. Bis hin zum allerletzten Satz im Epilog: "Respekt den Bühnenpoeten im Land! Denn sie sind unterwegs, um auch in Dein Leben Poesie zu bringen. Peace!" *ag* Karin Haller
Personen: Konecny, Jaromir
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Konecny, Jaromir:
Hip und Hop und Trauermarsch / Jaromir Konecny. - München : cbt, 2006. - 255 S.
ISBN 3-570-30298-9 kt. : Eur 7,20
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