Rezension: "Liebe Tante, ich weiß zwar gar nicht, wo du bist, aber Mama sagt, dass ich dir trotzdem schreiben und alle Briefe an unsere Adresse nach Bagdad schicken soll." Mit diesen Worten beginnt Nuri ihren ersten Brief an Tante Marwa. Nuri musste ihre irakische Heimat plötzlich und unvorhergesehen verlassen. Ihre Tante blieb zurück, zusammen mit dem Geschichtenteppich, aus dem sie Nuri jeden Abend eine Geschichte "herausgelesen" hatte. Nun lebt Nuri in Deutschland, wo alle Straßen aufgeräumt sind und vom Regen glänzen, und schreibt Brief um Brief an ihre Tante, ohne eine Antwort zu erhalten. In diesen Briefen schildert sie den ungewohnten Alltag in Deutschland und vertraut Tante Marwa Geheimnisse an, die sie niemandem sonst erzählen kann: Sie berichtet von ihrer Angst vor Krieg und Bomben und ihren Zweifeln daran, dass sie in Deutschland wirklich sicher ist. Vom Kummer über den Verlust der Großeltern und der kleinen Schwester, die den Krieg nicht überlebt haben, und davon, dass die Kinder in der Schule sie hänseln und quälen. Dann wird alles anders. Nuri bekommt von ihrem Vater einen bunten Teppich und genau wie Tante Marwa kann sie darin Geschichten sehen. Sie taucht ein in eine Wüstenlandschaft und lernt dort die Schwarzzahnmonster kennen. Bald erkennt Nuri, dass Geschichten sie nicht nur von ihrem Kummer ablenken, sondern auch im Alltag eine große Hilfe sein können. Als sie auf dem Schulweg von einem Klassenkameraden bedroht wird, kann sie ihn mit ihrer Geschichte in ihren Bann ziehen. An der Haustür angekommen ist die Geschichte an ihrer spannendsten Stelle angelangt - und Nuri in Sicherheit. Ähnlich wie Scheherazade erobert sich Nuri mit ihrer Geschichte nach und nach das Herz ihres Peinigers und gewinnt ihn als Freund. Und als nach vielen Briefen endlich eine Antwort von Tante Marwa kommt, finden beide Geschichten, die von Nuri und Tante Marwa und die von den Schwarzzahnmonstern, ein gutes Ende. Andrea Karimé hat Nuris Geschichte und ihre Geschichten zu einem anrührenden Kinderbuch verwoben, das Annette von Bodecker-Büttner fantasievoll und farbenprächtig bebildert hat. In den Briefen Nuris werden die Geschehnisse konsequent aus dem Blickwinkel des Kindes erzählt, viele Fragen bleiben offen. Das ist eine der Stärken des Buches: Beim Vorlesen können diese Fäden aufgenommen und zu weiteren Geschichten verwoben werden. Ein stilles, unaufdringliches, feinfühliges Buch über ein kleines Mädchen mit großen Problemen und noch größerer Fantasie.||||

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Personen: Karimé, Andrea Bodecker-Büttner, Annette von (Ill.)

Schlagwörter: Antolin Klasse-4

Interessenkreis: roter Punkt