Bourne, Holly
Was ist schon typisch Mädchen? Roman
Belletristik

Wiederholt für obsolet oder gar für tot erklärt, wurde der Feminismus in den letzten Jahren doch gern als profitable Marke vereinnahmt. In ihrem Buch „Wir waren doch mal Feministinnen!“ (2017) spricht die amerikanische Journalistin Andi Zeisler vom „Ausverkauf einer politischen Bewegung“: Sie konstatiert den Aufstieg eines „Wohlfühl“- oder auch „Marktfeminismus“, der es Unternehmen erlaubt, mit einem emanzipatorischen Vokabular neue, kaufkräftige Zielgruppen zu erschließen, und radikalfeministische Sozialkritik zugleich durch eine markttaugliche Selbstoptimierungslogik zu ersetzen. Die „Spinster Girls“-Buchreihe der britischen Autorin Holly Bourne und die sie begleitende Kampagne – „Wir sind stark. Wir lassen uns nichts sagen. Wir küssen trotzdem“, heißt es auf der Spezial-Webseite des Verlags, auf der Leser_innen aufgefordert werden, eigene „Spinster-Clubs“ zu gründen – scheint zunächst exakt zu diesem Trend zu passen: freche Sprüche, poppige Logos und Mitmach-Aktionen sprechen ein junges weibliches Publikum an, das nach Selbstermächtigung lechzt, ohne sich den Spass an Lipgloss, Sex und Shopping vermiesen zu lassen. In diesem Fall ist das gut so: Unter der knackig-postfeministischen Oberfläche nämlich wird, leichtfüßig zunächst, dann immer ungeschminkter, eine Form genuin feministischer Bewusstseinsbildung generiert, die junge Frauen in ihrem alltäglichen Erleben abholt, und sie sodann für strukturelle Dimensionen von Sexismus und Diskriminierung sensibilisiert. Mit Wohlfühl-Feminismus hat das rein gar nichts mehr zu tun: In den Geschichten von Evie, der unter einer Angststörung leidenden Ich-Erzählerin des ersten Bands, die um alles in der Welt „normal“ sein möchte, und von Lottie, der leistungsstarken Individualistin des Folgebands, die eine Kampagne zur Aufdeckung von Sexismus startet und sich damit zur Zielscheibe von Hass und von persönlichen Angriffen macht, geht es stets ums Ganze: Schritt für Schritt entdecken die beiden 17-jährigen Schülerinnen, dass die Kommentare, die sie sich über ihre Körper anhören müssen, die sexuellen Belästigungen und Übergriffe, denen sie ausgesetzt sind, und die Verachtung, die sie ernten, wenn sie sich weigern, sich auf hübsche Objekte ohne eigene Stimme reduzieren zu lassen, einem Muster folgen, das nur mit gemeinsamem Widerstand umgeschrieben werden kann. Und darin liegt vielleicht die größte Stärke dieser spannend und temporeich erzählten, auch psychologisch überzeugenden Romane: Sie setzen Feminismus wieder als eine kollektive Bewegung ein, deren Fundament in der Solidarität unter Frauen* liegt – auch wenn jede dieser Frauen* eine andere Geschichte hat und in ihren persönlichen und politischen Entscheidungen respektiert werden muss. Das beginnt mit der Gründung der „Spinster Girls“, einem feministischen Zirkel der drei Freundinnen Evie, Lottie und Amanda (letztere wird im Sommer im 3. Band als Fokusfigur auftreten), und mündet in die Gründung einer sozialen Bewegung, die vormacht, dass Aktivismus Spaß machen kann und soll – dass der politische Einsatz aber auch Nerven, Geduld und harte Arbeit fordert. Und dass sich gerade junge Frauen, denen nach wie vor beigebracht wird, dass sie in erster Linie zu gefallen haben, ihre Wut bewahren sollen. „Wenn etwas FALSCH ist – ist Wut dann nicht die einzige angemessene Redaktion darauf?“, fragt Lottie, als sie als humorlose Emanze angegriffen wird. „Die einzig normale? JA, OKAY, MEINETWEGEN, ich hatte versprochen, diese Aktion lustig statt wütend aufzuziehen – aber ich konnte mir meine Wut nicht wegoperieren. Sollte ich meinen Zorn verstecken, nur damit Leute wie Will nicht in ihrem Wohlbefinden gestört wurden?“ Genau in diesem Geiste bilden Holly Bournes Romane einen wichtigen Beitrag zu einem neu erstarkenden feministischen Diskurs: Sie machen Spaß, sie tun aber auch weh; sie regen an, aber auch auf – und sie machen Mut, vermeintlich Gegebenes zu hinterfragen, um gemeinsam an einer gerechteren Welt für alle zu bauen. Siehe weiters: Holly Bourne: Spinster Girls - Was ist schon normal?


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Serie / Reihe: Spinster Girls 2

Personen: Bourne, Holly Frey, Nina (Übers.)

Schlagwörter: Selbstbewusstsein Widerstand England Geschlechterrolle Gesellschaftskritik Weibliche Jugend Feindseligkeit Freundschaftsgeschichte Nonkonformismus Sexismus Sexuelle Belästigung Weblog

DR.J
BOU

Bourne, Holly:
Was ist schon typisch Mädchen? : Roman / Holly Bourne. Aus dem Engl. von Nina Frey. - Dt. Erstausg. - München : Dt. Taschenbuch-Verl., 2018. - 411 S. - (Spinster Girls; 2) What's a girl gotta do?
ISBN 978-3-423-71801-1

Zugangsnummer: 0031316001 - Barcode: 6104316788
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