Eine schillernde Erzählung in Blau : die illustratorischen Tauchgänge des Willy Puchner Der wach gebliebene Traum aus einer versunkenen Kindheit, eine kleine Stadt und das große Meer - dazwischen ein Ich, weit ausgespannt in die Räume der Zeit und der Seele. In diesem Gestus des sehnenden Suchens öffnet uns Willy Puchner die Tür zu seinem fabelhaften Meer. Wer die Bilderbücher des Zeichen- und Zeitkünstlers kennt, wird schon beim Blättern auf Vertrautes und viele Bekannte stoßen: Einträge aus dem Tagebuch der Natur, fabelhafte Prinzessinnen und fantastische Prinzen, Erkundungen in der Welt der Farben, Elemente aus einem illustrierten Fernweh, sehnsuchtsvolle Pinguine oder ein Hase auf Reisen. Im Meer der Erinnerung geht nichts verloren, im fabelhaften Blau des Ozeans finden sie verwandelt wieder zusammen, schlüpfen in neue Bezüge und warten darauf, erkannt und neu gedeutet zu werden. Vom Beschreiben und Ordnen Verschiedene Ebenen der Wahrnehmung ziehen sich durch dieses Buch. Was auf einer Sachebene des Beschreibens und Erklärens beginnt, taucht auf der nächsten Doppelseite in die tieferen Ebenen der Fantasie und von dort hinab in die dunkelsten Tiefen der Wünsche, Sehnsüchte und Ängste. Wer bin ich im Strom dieses Lebens? Wo bin ich geborgen, wo droht mir Gefahr? Im Sortieren und Benennen der Erscheinungen und Dinge versucht der Mensch die Natur zu erschließen und zu bannen. Geradezu leidenschaftlich gibt sich Willy Puchner dieser Selbstvergewisserung hin: Die Farben des Meeres werden penibel aufgezählt und abgebildet, seine Bewohner charakterisiert, sein Name in hundert Sprachen notiert. Im Französischen haben „Meer“ und „Mutter“ den gleichen Wortklang - einem Mutterschoß gleich stellt Puchner an den Eingang und an das Ende des Buches die Muschel, aus der das Leben strömt. Verschiedene Ebenen der Wirklichkeit Als praktizierender Surrealist macht Puchner die Wendepunkte, an denen die Wirklichkeit ins Fantastische kippt, nicht kenntlich - die Räume unterschiedlicher Wahrnehmungen bleiben geheimnisvoll durchlässig wie das Meer. So sind sie, die Künstler, und treffen sich damit im Daseinsgefühl von Kindern und anderen Magiern. Meisterhaft eröffnet Willy Puchner ein vielschichtiges Wechselspiel zwischen Groß und Klein: Auf Briefmarken findet sich der weite Himmel, eine Badewanne schwimmt im Meer, auf Papierschiffchen gleiten Zauberwesen und Träume, eine Flaschenpost trägt geheime Gedanken über das Meer. Damit wächst auf einer realen wie auch auf einer symbolischen Ebene ein Bedeutungsnetz, das Mensch und Tier und Welt umspannt. Willy Puchner ist ein Künstler, der in seinen Büchern gerne frühere Fäden aufgreift und weiterspinnt. Die Dichte der Verweise macht dieses faszinierende Buch für mich zu einer Art illustratorischer Gesamtschau - die Figuren wirken, als wären sie heimgekehrt. Allen Bibliotheken empfohlen.
bn.bibliotheksnachrichten / Reinhard Ehgartner||
Personen: Puchner, Willy
JD.P
PUC
Puchner, Willy:
Willy Puchners fabelhaftes Meer / Willy Puchner. - Wien : Nilpferd, 2017. - [48] S. : überw. Ill. (farb.) ; 32,5 cm
ISBN 978-3-7074-5186-3 fest geb. : ca. € 19,95
JD.P - KuJ-Belletristik