Autobiografisch gefärbter Roman, der brisante Fragen der Gegenwart mit erzählerischer Raffinesse und literarischer Einbildungskraft aufgreift.(DR) Salzburg /Freilassing, 2015: Viktor Levin, ein "in Würde ergrauter und in die Breite gewachsener" russischer Jude Mitte vierzig kam als Flüchtlingskind nach Österreich, nun hilft er am Höhepunkt der Flüchtlingswelle in einem Durchgangslager an der Grenze mit. Sein wohlsituiertes, eher unspektakuläres Leben als Ehemann und Firmenangestellter erfährt durch das Auftauchen einer fast vergessenen Jugendliebe eine empfindliche Störung. Besagte Gudrun, eine törichte Person, ersucht Viktor um Hilfe. Ihre Tochter Lisa, die übrigens auch seine sei, ist in Deutschland in ein rechtsradikales Milieu geraten. Ausgerechnet Viktor soll die ihm noch unbekannte Tochter zur Heimkehr bewegen. Trotz berechtigter Zweifel an seiner Vaterschaft begibt sich der bis dato Kinderlose auf die Reiseà Der mit hintergründigem Humor und sensibler Wahrnehmung für große und kleine Vorkommnisse verfasste Roman weist deutliche Parallelen zur Biografie des 1966 in Leningrad (heute St. Petersburg) geborenen Autors auf, doch die auf mehreren Zeit- und Handlungsebenen angesiedelte Geschichte wird von einer distanzierten, personalen Erzählperspektive aus geschildert. Mittels bewusst überzeichneter Charaktere stellt der Autor auch hochproblematische Weltanschauungen zur Diskussion. Seit 2015 ist Vladimir Vertlib in der Flüchtlingshilfe aktiv. Seine Erfahrungen als Flüchtlingskind und freiwilliger Helfer spiegeln sich in den Rückblicken des Protagonisten Viktor intensiv, glaubwürdig und klug wider. Die Schauplätze Wien und Salzburg verströmen keineswegs nur charmantes Lokalkolorit, die emotional aufgeladene Stimmung der letzten Jahre wird spürbar. Wie schon in früheren Romanen ("Das besondere Gedächtnis der Rosa Mazur", "Am Morgen des zwölften Tages") siedelt Vertlib einen Teil der Handlung in einer fiktiven deutschen Stadt namens Gigricht an, wo die Erzählfäden zusammenlaufen. Der scharfsichtige, durchaus amüsante Roman wirft wichtige Fragen der Gegenwart (Migration, Rassismus, kulturelle und religiöse Differenzenà) auf, ist ein klares Plädoyer für mehr Mitmenschlichkeit und ein gelungenes Beispiel für die literarische Einbildungskraft dieses wichtigen österreichischen Autors.
Personen: Vertlib, Vladimir
DR Vert
Vertlib, Vladimir:
Viktor hilft : Roman / Vladimir Vertlib. - 1. Aufl. - Wien : Deuticke, 2018. - 286 S.
ISBN 978-3-552-06383-9 fest geb. : ca. EUR 23,70
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