Können wir unserer eigenen Wahrnehmung trauen? Psychologisch feingestrickter Thriller über eine Frau, deren Ehemann plötzlich verschwindet. (DR) In einem stark renovierungsbedürftigen Haus am Rand von Oslo lebt die 30-jährige Psychologin und Ich-Erzählerin Sara mit ihrem Mann. Während sie vor Ort eine Praxis für junge Erwachsene betreibt, arbeitet Sigurd in einem Architekturbüro in der Stadt. Das junge Paar kämpft mit üblichen Alltagsproblemen. Als Sigurd zu einem geplanten Wochenende mit Freunden aufbricht, kommt er nie in der Hütte an, obwohl Sara noch eine Sprachnachricht von ihm erhält, dass er dort gut eingetroffen sei. Die Polizei beginnt zu ermitteln, eine Leiche wird entdeckt und im Haus gehen merkwürdige Dinge vor sich. Die distanziert-kühle Sara gerät in einen Strudel der Gefühle und beginnt an ihrer eigenen Wahrnehmung zu zweifeln. Liegt der Schlüssel zu Sigurds Verschwinden in ihrer Erinnerung? Bereits vor seiner Publikation in Norwegen erhielt dieser nun auf Deutsch erschienene psychologische Thriller viel Aufmerksamkeit. Eine Verfilmung ist geplant und mit einem weiteren Band, der bereits ins Englische übersetzt wurde, hat Helene Flood schon für Nachschub gesorgt. Meine Erwartungen an die Lektüre waren dementsprechend hoch. Geschickt nützt die für ihre Studien zu Gewalt und posttraumatischen Stress anerkannte norwegische Psychologin Helene Flood in ihrem Debütroman ihre Berufserfahrungen und bietet interessante Einblicke in die menschliche Psyche. In ruhigem Erzählton entwirft sie ein beklemmendes, kammerspielartiges Szenario voller Geheimnisse, Täuschungen und Lügen. Sie lässt der Entwicklung der Geschichte viel Zeit und legt großen Wert auf die Ausgestaltung der Charaktere. Ihre schlichte, klare Prosa ist mit authentisch wirkenden Dialogen und einigen Rückblicken angereichert. Klassische Mystery-Elemente wie ein einsam gelegenes Haus und »unsichtbare« Besuche sorgen für eine unterschwellig bedrohliche Atmosphäre, auf gewaltsame Szenen wird gänzlich verzichtet. Ursel Allenstein hat diesen flüssig zu lesenden Thriller solide und stimmig übersetzt. Thematisch stehen die Zerbrechlichkeit des menschlichen Gedächtnisses unter traumatischen Umständen sowie das Phänomen der Lüge im Mittelpunkt. Die durchaus interessante Auflösung mit einem raffinierten Plot Twist hätte eine spannendere Inszenierung verdient. Ansonsten ein feingestrickter, unaufgeregt erzählter Thriller für Leser*innen, die sich für menschliche Beziehungen und Psychologie interessieren.
[Quelle: biblio.at]

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Personen: Flood, Helene Allenstein, Ursel

Interessenkreis: Thriller