Überkommenes wird in unserem Denken im gleichen Maße fragwürdig wie Fortschrittsgläubigkeit: Das Gestern ist nicht zu wiederholen, aber das Morgen kann auch nicht einfach eine verbesserte Form des Heute sein. In die Tradition zu retirieren ist so aussichtslos wie die Hoffnung, dass dem Fortschritt, so wie er derzeit betrieben wird, ein zweckmäßiger Mechanismus der Selbstregulation innewohne, der endlich alles zum Guten wenden werde.
In dieser Situation gibt es niemanden, der für sich in Anspruch nehmen dürfte, Gebrauchsanweisungen geben zu können; die gleichwohl im Umlauf befindlichen, die das Heil in der Programmierung und Planung suchen, müssen skeptisch geprüft und ihre Fehler müssen benannt werden. Skeptisches Denken ist auf jene gerichtet, die glauben, den Code des Lebens und des Zusammenlebens entschlüsselt zu haben und daraus schnellfertig die Verfahren ihres Handelns ableiten zu können. Skeptisches Denken erbringt Einwände und Einsichten, die nicht immer Weg und Ziel, aber doch eine Richtung anzeigen.
Die Prüfung kann überall ansetzen: Dort, wo das Denken als Philosophie betrieben wird, und dort, wo es, formuliert oder nicht, einem Handeln zugrunde liegt - in der Naturwissenschaft und der Technik, in der Anthropologie und in der Pädagogik, in Politik und Soziologie -, kein Bereich, in dem nicht ältere oder brandneue Gebrauchsanweisungen gültig wären, die der Prüfung bedürfen.
Diese Aufgabe haben sich die "Scheidewege" gestellt. Die Vielfalt der möglichen Themen, in denen kein Bereich des menschlichen Lebens ausgespart sein kann, hat ebensolche Vielfalt der Form zufolge: sie reicht vom Essay bis zur Polemik, von der Beschreibung bis zur Mahnung, von der Rezension bis zum Bekenntnis - das heißt: von der Meditation bis zum Kampf.
Aus dem Inhalt:
Albus, Anita: Sonnenfalter und Mondmotten
Bittner, Günther: Skeptisches Denken?
Fitzthum, Gerhard: Verbundenheit und Ausbeutung
Fuchs, Thomas: Transhumanismus und Verkörperung
Gebert, Sigbert: Technik, Technisierung, Moral und Glück - Technikphilosophie und philosophische Technik
Hagen, Rainer: Die Geschichte von den zwei Richtungen oder Die Welt in Kästchen
Hagen, Rainer: Über den Ruf der Nase
Holzwarth, Frédéric: Verbundenheit - ein leibliches Phänomen
Holzwarth, Michael: Vom Kaffee zum Café
Jung, Norbert: Naturverständnis und Psychotop
Liebsch, Burkhard: Zahllose Verluste
Mayer-Tasch, Peter Cornelius: Wege und Scheidewege des Deutsch-Äthiopiers Hermann Goetz (1878-1970)
Minnsen, Mins: NO RESEARCH AREAS: Märchenhaft forschungsfrei
Pohlmann, Friedrich: Spielen
Pohlmann, Friedrich: Mut und Feigheit
Reichholf, Josef H.: Skepsis ist nötig: Es wandelt sich nicht allein das Klima
Remme, Marcel: Mühlenrenaissance - ein philosophischer Deutungsversuch
Sauer, Walter: 50 Jahre Scheidewege Jahresschrift für skeptisches Denken
Schönherr-Mann, Hans-Martin: Zur Genealogie der Apokalypse
Stampfl, Nora S.: Sind wir noch zu retten?!
Theisen, Heinz: Selbstbegrenzung und Selbstbehauptung Europas
Wagner, Valérie: Vom Verschwinden der Vögel
Weber, Andreas: Die Tragfähigkeit der Luft
Weber, Andreas: Die Psyche ist eine Pflanze
Wigert, Claus: Schach dem Schachmatt
Serie / Reihe: Scheidewege 50
Personen: Max Himmelheber-Stiftung
SO 9.90-01-50 in Nutzung
Max Himmelheber-Stiftung:
Scheidewege : Jahresschrift für skeptisches Denken. / Sauer, Walter; Hauskeller, Michael. - Originalausgabe. - Stuttgart : Hirzel, S., Verlag, 2020. - 410 Seiten : Fotografien ; 24 cm x 16 cm, 856 g. - (Scheidewege; 50)
ISBN 978-3-7776-2924-7 kartoniert : EUR 38.90
Sozialwissenschaften, Massenmedien, Statistik - Scheidewege - Jahresschrift für skeptisches Denken - Buch