Der Glaube an einen Schöpfer ist grundlegend für den christlichen Glauben. Es ist der Kern nicht nur des Christentums (und auch des Judentums und des Islam), dass die Welt von Gott geschaffen ist und von Gott in jeder Sekunde am Leben erhalten wird. Doch bei vielen Menschen geriet dieser Glaube ins Wanken, weil sie durch zunehmendes naturwissenschaftliches Wissen ihren Kinderglauben aufgeben mussten: Gott saß nicht einst am Strand und baute eigenhändig Fische, Vögel und Menschen wie ein Töpfer seine Gefäße aus Lehm töpfert. Eine neue Deutung des Schöpfungsglaubens schien aber nicht in Sicht. Auch unzählige Naturwissenschaftler haben durch den Fortschritt der Naturwissenschaft den Schöpfergott als verzichtbar gehalten: Damals wäre das eben wichtig gewesen als Erklärung, weil die Wissenschaft für viele Phänomene keine Erklärung gehabt hätte. Heute gibt es diese Erklärung, deshalb ist ein Schöpfergott überflüssig geworden. Besonders in unserer Zeit, in der sich die Geschwindigkeit von Wissenzuwachs ständig erhöht und Erkenntnisse in Medizin, Biologie, Genetik und Astronomie staunen lassen, glauben wir gern, dass das Ganze wirklich ohne Gott zuging.
Bizarr muten uns in Mitteleuropa dagegen die Theorien und Erklärungen der Kreationisten an, die im Gegenzug alles versuchen, um die Vertreter der modernen Evolutionstheorie und Naturwissenschaft zu widerlegen und ihre Lehre von der Schöpfung in sechs Tagen (oder sechstausend Jahren) notfalls mit Zwang (z.B. in diversen Schulbüchern einiger Bundesstaaten in den USA) durchzusetzen.
Die Schöpfungserzählungen sind keine Erklärungen oder Berichte - sie sind ein Manifest
Dabei basiert dieser Streit Naturwissenschaft/Evolutionstheorie gegen (Schöpfungs-)Glaube auf einem Missverständnis:
Die erste, bekannteste, Schöpfungserzählung der Bibel behauptet gar nicht, dass die Welt in sechs Tagen erschaffen wurde - sie ist überhaupt kein Bericht, sondern eher ein Lied in sieben Strophen. (Tatsächlich ist erwiesen, dass das 7-Tagesschema erst später über den Text gelegt wurde, und zwar um auf den Sabbat, den siebten Tag, hinzuführen als den Tag, den Gott gesegnet hat, sozusagen als Krone der Schöpfung.) Vielmehr wird in dieser Erzählung die Fülle der Schöpfung beschrieben, die Gott geschaffen hat. Und dieser ersten Schöpfungserzählung folgt gleich ein zweiter Text, der andere Aspekte beschreibt. Schließlich gibt es weitere Erzählungen oder Bezüge auf die Schöpfung Gottes, z.B. in den Psalmen, die auf ihre eigene Art die Schöpfung und den Schöpfer beschreiben. Es gibt also bereits in der Bibel selbst viel Interpretation der Schöpfung und Gottes als Schöpfer. Alle beschreiben sie Gott als Schöpfer der Welt, aber an keiner Stelle wird gesagt, wie das tatsächlich genau zugegangen ist. Es geht um das "Warum" und das "Dass" der Schöpfung, nicht aber um das "Wie". Das "Wie" ist Feld der empirischen Naturwissenschaft, die ehrlicherweise keine Aussage machen kann über das "Warum" oder den Sinn des Ganzen.
In Zeiten, in denen Glaubensvertreter aus den Schöpfungstexten Aussagen über das "Wie" machten, haben sie Gott zum "Uhrmacher" oder zum "Lückenbüßer" für ungelöste naturwissenschaftliche Fragen gemacht. Kein Wunder, dass sich dieser Gott mit zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnissen in Luft aufgelöst hat.
Serie / Reihe: Themen im Religionsunterricht Sekundarstufe I und II
Personen: Höger, Christian
Um/Schöpf/Sek 20
Höger, Christian:
Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie : Zum Kreationismus in den Köpfen von Schülerinnen und Schülern. - 1. Auflage. - Freiburg : Institut für Religionspädagogik, 2008. - 82 Seiten : Farbfotos; Illustrationen. - (Themen im Religionsunterricht Sekundarstufe I und II; Band 2)
kartoniert : 15,00 EUR
Unterrichsmaterial Schöpfung Sekundarstufe - Buch