Spyri, Johanna
Heidi Ein Schweizer Meitli erobert die Welt
Buch

Eigentlich sind es immer zwei Geschichten, wenn von Johanna Spyris "Heidi" die Rede ist: "Heidis Lehr- und Wanderjahre" und "Heidi kann brauchen, was es gelernt hat". Darin erzählt Johanna Spyri nicht nur die anrührende Geschichte des kleinen elternlosen Mädchens, das das Herz seines Großvaters erobert, sondern entwirft romantisch und idealisierend auch ein bestimmtes Bild der Schweiz, wie sich das Land ihr in ihrer Heimatliebe verklärte und erschloss. Als die Geschichte von Heidi 1880 erstmals erschien, war es neu in der Kinderliteratur, dass en Autor sich ganz auf die Seite des Kindes schlug und so wichtige Personen wie die Erzieherin, Fräulein Rottenmeier, negativ belud. Spyri zeichnete mit der Figur H. nicht nur ein unverbildetes Naturkind, sondern auch eine Art gute Fee. Das einfache Leben auf der Alp assoziierte sie mit Naturverbundenheit, Gesundheit, Fröhlichkeit und Liebe, das Leben in der Stadt mit Krankheit, steifem Benehmen, Naturferne. Die in den Erzählungen dargestellte Welt, das Dörfli und die Alp des Alp-Öhi, wurde zum Inbegriff der Schweiz und trug so zum Mythos einer Schweiz bei, in der die Menschen in Unschuld in der gesunden Luft der Alpen leben. So zu lesen im Historischen Lexikon der Schweiz (online zugänglich ? ohne Bildmaterial ? unter http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D44036.php) doch auch dies erklärt nicht den ungebrochenen Erfolg dieses Werkes. Übersetzungen in mehr als 50 Sprachen, von anderen Autoren geschriebene Fortsetzungen, unzählige Verfilmungen ? realistische und Zeichentrickfilme ? und Fernsehbearbeitungen, Umsetzungen in Serien und Comics zeugen vom weltweiten Erfolg dieser Kindererzählungen; 2005 ist ein Musical "Heidi" hinzugekommen und "Heidiland" wird mehr und mehr touristisch vermarktet. Aufbereitet wird die Geschichte für alle möglichen Altersgruppen, zuletzt auch als Bilderbuch. Nach der 2008 bei Nagel & Kimche erschienenen bibliophilen Bilderbuchausgabe für Alt und Jung legt nun der NordSüdVerlag die Geschichte als Bilderbuch für junge Kinder vor. Die Angabe "Gekürzter Text für das Bilderbuch" ist allerdings irreführend. Hier handelt es nicht um eine Kürzung des Originals, sondern vielmehr um eine Nacherzählung, die altersorientiert ganz auf Kinder ab 4 Jahren zugeschnitten ist, von der Auswahl der Ereignisse wie auch von der Sprache her. Ganz im heutigen Stil der Zeit gehalten, erzählt Katja Alves sehr reduziert die Geschichte, wie Heidi zum Großvater auf die Alp kommt, nachdem ihre Tante Dete die Aufsicht über das Kind nicht mehr übernehmen kann. Dabei beschränkt sich Alves auf die reinen Handlungselemente, die Begegnung mit dem Geißenpeter, das Kennenlernen der Großmutter, die Fahrt nach Frankfurt. Ein solcher Einstieg in die Geschichte ist angemessen für sehr junge Kinder, aber für Ältere geht viel vom Reiz der ursprünglichen Erzählung verloren, die gerade durch ihre naive altertümelnde Art wirkt. Die Geschichte verkürzt sich dadurch vor allem am Schluss geradezu atemberaubend: Nur ein Abschnitt fasst den ganzen zweiten Band zusammen! Im nächsten Sommer kommt Klara auf Besuch. Heidi freut sich sehr. Nur Peter freut sich nicht. Er ist eifersüchtig auf Klara. Seit sie da ist, hat er Heidi nie mehr für sich allein. In seiner Wut stößt er Klaras Rollstuhl ins Tal hinunter. Jetzt muss Klara gehen lernen. Heidi hilft ihr dabei. Jeden Tag geht es ein bisschen besser und schon bald ist Klara wieder ganz gesund. Das ist stimmig ? aber doch fehlt der Geschichte etwas Wesentliches, das sich Hineinversetzen in Heidi, die Gefühlswelt, die Dramatik des Geschehens. Wie gesagt, man muss sich vor Augen halten, dass dieses Buch die Kleinsten anspricht, die für weitgehende Erklärungen keine Geduld haben. Und zum ganz großen Glück ist es ja ein BILDERbuch, und der Verlag hat eine großartige Illustratorin gewonnen, der es gelingt, in ihren Bildern all das einzufangen, was der Text verschweigt. Ihre Aquarelle in zart gedämpften Farben fangen die Lieblichkeit der Landschaft ebenso ein wie die naiv-unschuldige Güte des warmherzigen Mädchens, die Einfachheit des Hirtenjungen Peter oder die polterige Gutmütigkeit des Großvaters, der mit seinen großen Händen das Kind behütet. In den Szenen in der großen Stadt bedarf es kaum der vorgelesenen Worte, um zu verstehen, wie heidi sich fühlt. Verunsichert, mit verkrampften Händchen und gebeugtem Nacken steht sie da, ein kleiner Mensch allein auf der Welt, so scheint es. Maja Dusíková verzichtet ganz auf karikierende Elemente, wie es so gern gerade bei der Darstellung Fräulein Rottenmeiers der Fall ist. Ihre Bilder erzählen ohne Worte die Geschichte, sprechen von großen Gefühlen und verankern diese in der gewaltigen Bergwelt der Schweiz. Ein stimmungsvolles Bilderbuch, das Kinder in einen Weltklassiker einführt ? und als besonderes Bonbon: Dieses Buch gibt es auch in einer englischen und französischen Ausgabe. *Alliteratus* Astrid van Nahl


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Spyri, Johanna

Standort: KB

Leseror. Aufstellung: Kinderbücher 3. und 4. Klasse

Interessenkreis: Kinderliteratur

SPYR

Spyri, Johanna:
Heidi : Ein Schweizer Meitli erobert die Welt / Johanna Spyri. - Gossau : NordSüd Verlag, 2013. - [13] Bl. : zahlr. Ill.
ISBN 978-3-905811-67-4 fest geb. : 7,50

Zugangsnummer: 2015/0025 - Barcode: 2-2073403-7-00008793-3
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