Zu seinem zwölften Geburtstag bekommt Karl einen dicken, in schwarzes Leder gebundenen Folianten mit leeren Seiten überreicht, den er von nun an sein Leben lang, Tag für Tag, mit seiner winzigen Schrift füllt. Als er stirbt, sind noch etliche Seiten leer und zu den ersten Dingen, die Clara, seine Frau, in den Müll wirft, gehört eben dieses "weiße Buch". Beider Sohn, der Schweizer Schriftsteller und Dramatiker Urs Widmer, beschließt, das verlorengegangene "Lebensbuch" des Vaters selbst noch einmal zu schreiben. "Das Buch des Vaters", eine Art Spiegelgeschichte zum Roman "Der Geliebte der Mutter" (2000), zeichnet das Leben eines Mannes nach, dessen Lebensinhalt seine Bücher, seine Übersetzungen waren. Walter (im Roman Karl) Widmer (1903-1965) war Gymnasiallehrer für Französisch, Literaturkritiker und leidenschaftlicher Übersetzer mit einer Vorliebe für Diderot und Stendhal. Ein liebenswerter, etwas weltfremder Kauz, der ständig eine Zigarette im Mund hatte, Rechnungen grundsätzlich ungeöffnet in einer versperrten Schublade ablegte und seine Frau Clara und seinen Sohn zwar aus ganzem Herzen liebte, aber kaum zur Kenntnis nahm. Sein Platz war in seinem Arbeitswinkel, in dem er in rasendem Tempo mit einem einzigen Finger, dem Zeigefinger seiner rechten Hand, eine Schreibmaschine nach der anderen zu Schrott tippte.
Personen: Widmer, Urs
Zba Widme
Widmer, Urs:
¬Das¬ Buch des Vaters : Roman / Urs Widmer. - Zürich : Diogenes, 2004. - 209 S. ; 19 cm
ISBN 978-3-257-06387-5 fest geb. : ca. Eur 19,90
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