Wolf hat nichts mehr zu essen zu Hause. Also muss er sich in der kalten Winternacht aufmachen und ein nettes Restaurant suchen. Und er wird auch bald fündig - ein gemütlicher Schafstall, bewohnt von einem kleinen Schaf. "Wolf lehnte sich locker an den Türrahmen. 'Verzeihen Sie, dass ich Sie in Ihrer Nachtruhe störe, aber die Sache ist die, dass es mich, der ich ein Wolf bin, ziemlich dringend nach einem Häppchen verlangt.' 'Was?', fragte Schaf. 'Hunger', antwortete Wolf". - Dem redegewandten Wolf gelingt es bald, das arglose Schaf aus seinem Stall in den Wald zu locken. Bei der gemeinsamen Schlittenfahrt kommt man sich allerdings etwas näher und Wolf zögert den entscheidenden Augenblick immer wieder hinaus, bis er in den gefrorenen See einbricht. Schaf rettet ihn und bringt den steif gefrorenen neuen Freund zu einem einsamen Haus im Wald - zufällig Wolfs Behausung. Eine klassische Wolf-Schaf-Geschichte mit dem kindgerechten Happyend der immerwährenden Freundschaft und einem Wolf, der zum Vegetarier wird, möchte man meinen. Nicht ganz. Natürlich versorgt das vertrauensselige Schaf den vermeintlichen Freund rührend, sie verbringen sogar eine Nacht eng aneinander gekuschelt in einem Bett. Doch Wolf weiß ganz genau, dass in Kürze sein Hunger und damit auch sein Überlebensinstinkt übermächtig sein werden. Und genau dieses liebenswerte Schaf möchte er auf gar keinen Fall fressen. Also nimmt er ihm das Versprechen ab, sich gleich am Morgen wieder auf den Heimweg zu machen. Schaf gehorcht - und wird nie erfahren, in welcher Gefahr es die ganze Zeit geschwebt hat. Gerade dieser vom Klischee abweichende Schluss hat etwas sehr Berührendes an sich. Die meist doppelsinnige Konversation zwischen Wolf und Schaf sorgt für eine eigene Mischung aus Komik und Grusel. - Die Illustrationen von Anke Faust unterstützen kongenial diese außergewöhnliche Geschichte. Die gelungene Mischung aus comichaften Strichzeichnungen und Fotocollagen zeugen von viel Liebe zum - teils hintergründigen - Detail. Wenn sich Schaf in den gierig aufgerissenen Augen von Wolf spiegelt, würde man eigentlich keinen Cent mehr für sein Leben geben. Ein wunderbares Buch über Freundschaft und ihre Grenzen, ohne Kitsch und mit viel Humor.
Personen: Matter, Maritgen
4.1x Matte
Matter, Maritgen:
¬Ein¬ Schaf fürs Leben / Maritgen Matter. Bilder von Anke Faust . Dt. v. Sylke Hachmeister. - Hamburg : Oetinger, 2003. - 60 S. : zahlr. Ill. (farb.) : Ill. ; 25 cm
ISBN 978-3-7891-4239-0 fest geb. : ca. Eur 10,20
Erstes Lesen - Fortgeschrittene Stufe 1 von 2 - Buch