Das neue Interesse an der Geschichtserzählung in heutiger Geschichtstheorie öffnet neue Perspektiven für die Beurteilung der evangelischen Erzählungen der Geschichte Jesu (I, II). Anhand der Leitfrage des Wahrheitsverständnis untersucht dieser Aufsatz das Verhältnis des Matthäusevangeliums zu den verschiedenen Typen antiker Geschichtsschreibung einerseits und zu den biblischen traditionalen Geschichtswerken andererseits. Das Matthäusevangelium ist an Fiktionen reich, die dem Verfasser auch als solche bewusst gewesen sein müssen (III), und trotzdem eine durch und durch traditionsorientierte Erzählung (IV). Matthäus kennt aber keinen Begriff der Fiktion, und sowohl das Wahrheitsverständnis als auch die verschiedenen Typen griechischer Geschichtsschreibung sind ihm fremd. Verschiedene grundlegende Merkmale des Matthäusevangeliums, etwa sein Bezug auf die Bibel als einzige genannte Quelle, seine Anonymität, das Fehlen eines die Leser ansprechenden Vorworts und die Transparenz seiner bibelähnlichen Grundgeschichte für die Erfahrungen der Leserinnen und Leser zeigen, dass es voll und ganz dem Typ biblisch-traditionaler Geschichtsschreibung zuzurechnen ist (V). Mit dem Versuch, einige Überlegungen zum matthäischen Wahrheitsverständnis zu formulieren (VI), schließt der Aufsatz ab.
Enthalten in:
Evangelische Theologie; 2009/3 Zweimonatsschrift
(2009)
Serie / Reihe: Evangelische Theologie
Personen: Luz, Ulrich Dietrich, Walter (gefeierte Person)
Luz, Ulrich:
Geschichte und Wahrheit im Matthäusevangelium : das Problem der narrativen Fiktionen / Ulrich Luz, 2009. - S.194-208 - (Evangelische Theologie) Geschichtsdiskurs und Theologie
Zeitschriftenartikel