Die zentrale Tendenz der Veränderung, die sich im Sekundarschulsystem der Bundesrepublik trotz der Aufrechterhaltung der dreigliedrigen Grundstruktur dieses Systems durchsetzt, wird in diesem Beitrag mit den Begriffen "Meritokratisierung" und "Rationalisierung" beschrieben. Träger und Vermittler dieser Entwicklung ist die staatliche Bürokratie, die curriculare und organisatorische Reformen einleitet, durch die - in Anlehnung an B. Bernsteins Terminologie - ein "Erziehungskode" mit starker "Rahmung" und "Klassifikation" favorisiert wird. Anhand dreier Beispiele wird das Spannungsfeld zwischen den staatlichen Regelungen und den pädagogischen Freiräumen analysiert: (1) die Reform der gymnasialen Oberstufe in Bayern, die als eine Reform "von oben" erfolgte und Versuche zu einer grundlegenden Neukonstruktion organisatorischer und curricularer Strukturen eindämmte und somit die Curriculumentwicklung als ein Rationalisierungsinstrument benutzte; (2) die Kollegstufe in Nordrhein-Westfalen, bei der Curriculumentwicklung als Neuordnung schulischer Wissenskomplexe unter dem Aspekt der Integration konzipiert, deren regionale Selbständigkeit der Versuchsdurchführung jedoch durch die Etablierung einer verwaltungsabhängigen zentralen Steuerungsinstanz verhindert wurde; (3) das Bielefelder Oberstufenkolleg, in dem Curriculumentwicklung als Instrument schulischer Selbständigkeit praktiziert werden soll, bei dem aber die schulische Selbständigkeit post hoc durch rigide administrative Eingriffe von außen zurückgenommen wird.
Enthalten in:
Zeitschrift für Pädagogik; 1980/2
(1980)
Weiterführende Informationen
Serie / Reihe: Zeitschrift für Pädagogik
Personen: Seidl, Peter Drexler, Wulf
Seidl, Peter:
Pädagogische Freiräume und administrative Regelungen: drei Fallanalysen zur Oberstufenreform / Peter Seidl ; Wulf Drexler, 1980. - S.211-241 - (Zeitschrift für Pädagogik)
Zeitschriftenartikel