Der diskursanalytisch verortete Beitrag thematisiert die (Nicht-)Repräsentation der Differenzkategorien Geschlecht und Migration von Schüler/innen in den Schulstatistiken unter besonderer Berücksichtigung des sonderpädagogischen Förderschwerpunkts emotional-soziale Entwicklung. In den KMK-Statistiken wird die Kategorie Geschlecht gar nicht und die Kategorie Migration nicht differenziert repräsentiert. Damit leisten diese Statistiken einen Beitrag zur "Produktion von Unbewußtheit" (Erdheim, 1984) in Hinblick auf wichtige Intersektionen. Verborgen bleibt bei der Intersektion Geschlecht+Dis-/Ability die Überrepräsentanz von Mädchen in weiterführenden und von Jungen in nicht-weiterführenden Bildungsgängen sowie der Extremwert beim Anteil von Jungen im Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung. Dadurch werden Probleme des Schulsystems mit Jungen statistisch unsichtbar gemacht und die Exklusion in Hinblick auf die Intersektion Migration+Dis-/Ability so repräsentiert, dass eine Ablenkung des Diskurses um Bildungsgerechtigkeit auf sonderpädagogische Organisationsformen begünstigt wird. Im Diskurs wird Exklusion im System sonderpädagogischer Förderung kritisiert; unbewusst trägt diese Kritik zur Verschleierung der Ungleichheit der Bildungschancen im Bildungssystem bei und wirkt damit herrschaftsaffirmativ."
This discourse-analytically informed article addresses the (non-)representation in school statistics of the categories of difference 'sex' and 'migration' in students, with an emphasis on those students with social-emotional problems. In the statistics of the German Conference of Ministers of Education (KMK, Kultusministerkonferenz), the category of sex is not represented at all and the category of migration is not represented in a differentiated way. Thus, these statistics contribute to the production of unconsciousness (Erdheim, 1984) of important intersections. In the case of the intersection of sex+dis/ability, the overrepresentation of girls in "Gymnasium" and of boys in "Haupt-/Mittelschule" as well as the extremely high proportion of boys with social-emotional problems remains concealed. As a result, the problems that the school system faces with boys become statistically invisible and exclusion based on the intersection migration+dis/ability is represented in such a way that promotes the divertion of the discourse on educational justice towards special education organisations. In the discourse, exclusion is criticized in the special education system; unconsciously, this criticism contributes to hiding the inequality of educational opportunities in the education system and thus reinforces it.
Enthalten in:
Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete; 2023/3
(2023)
Serie / Reihe: Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete
Personen: Rauh, Bernhard Abelein, Philipp
Rauh, Bernhard:
Produktion von Unbewusstheit durch Schulstatistiken? : Intersektionale Perspektiven auf Geschlecht, Migration und Dis-/Ability unter besonderer Berücksichtigung des Förderschwerpunkts emotional-soziale Entwicklung / Bernhard Rauh, Philipp Abelein, 2023. - Seite 198-211 - (Vierteljahresschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete)
Zeitschriftenartikel