All inclusive? Überlegungen zur integrativen/inklusiven Beschulung von "Problemkindern"
Zeitschriftenaufsatz

Mit "all inclusive" bzw. Pauschalreiseangeboten wirbt die Tourismusbranche für Reisen weltweit. Nach Bedarf kann "luxury included" gebucht werden, "Last minute-Angebote" mit sensationellen Preisnachlässen sollen die Kundschaft anlocken. So mancher Urlauber freut sich über einen tollen Urlaub, bei dem er sich um nichts kümmern musste, da die Reiseleitung perfekt mit den Anbietern vor Ort zusammengearbeitet hat. Andere berichten von "Überraschungen", die von einem verstellten Blick auf das Meer über problematische hygienische Bedingungen, ein Nichtvorhandensein der angepriesenen Infrastruktur, über mangelnde Sicherheitseinrichtungen bis hin zur schlechten Betreuung durch unqualifiziertes Personal reichen. Analog dürfte sich die Situation für Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Zuge der inklusiven Beschulung an allgemeinen Schulen darstellen, wenn der Prozess der Öffnung von allgemeinen Schulen und die Absicherung einer gezielten sonderpädagogischen Förderung nicht mit Bedacht vorgenommen werden. Während sich für die Einen neue Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens auftun, könnten Andere insofern benachteiligt werden, wenn der "Blick auf das Kind verstellt", die psychohygienischen Bedingungen problematisch, die erforderliche Infrastruktur nicht vorhanden, die Absicherung bei Lernversagen und Verhaltensproblemen wenig durchdacht und das erforderliche qualifizierte Personal nicht vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund ist der Umbau eines selektiven, dreigliedrigen Schulwesens in Baden-Württemberg hin zu einem integrativ und inklusiv arbeitenden Bildungssystem mit Bedacht vorzunehmen und das "Kind nicht mit dem Bade auszuschütten". Wenig hilfreich sind eine Dekategorisierung von Behinderungskategorien und die Einstufung der Sprache des sonderpädagogischen Förderbedarfs als diskriminierend (vgl. Hinz 2009, S. 173), denn dadurch setzen Vertreterinnen und Vertreter eines zügigen und radikalen Umbaus des Bildungssystems die aktuell vorhandenen sonder- und sozialpädagogischen sowie medizinisch-therapeutischen Unterstützungsangebote für behinderte und benachteiligte Kinder/Jugendliche bewusst aufs Spiel.

Enthalten in:
Lehren und Lernen; 2012/4 Zeitschrift für Schule und Innovation aus Baden-Württemberg (2012)


Serie / Reihe: Lehren und Lernen

Personen: Bleher, Werner

Schlagwörter: Kind Schule Erziehungsschwierigkeit Inklusive Bildung

All inclusive? Überlegungen zur integrativen/inklusiven Beschulung von "Problemkindern" / Werner Bleher ..., 2012. - S.23-27 - (Lehren und Lernen) Wie Inklusion gelingen kann

Zugangsnummer: U-0292999
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